382 deutsche Aphorismen:
Autorenregister,
Stichwortregister,
Stichwortregister mit Verweisen.
Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916)
(kurzer
Lebenslauf und einige Werke im Projekt
Gutenberg)
Der Weise ist selten klug.
(36 GLAUBEN, DENKEN, VERSTEHEN, 3 klug, 3 weise)
Man muß das Gute tun, damit es in der Welt sei.
(10 GUT UND BÖSE, 3 Gutes tun)
Die meisten Nachahmer lockt das Unnachahmliche.
(5 NACHAHMEN, 4 nachahmen)
Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun.
(2 können, 1 tun, 19 WOLLEN, KÖNNEN, TUN)
Ein Mann mit großen Ideen ist ein unbequemer Nachbar.
(4 Menschen, große, 21 PSYCHOLOGIE)
Tue deine Pflicht so lange, bis sie deine Freude wird.
(13 EGOISMUS UND ALTRUISMUS, 3 freuen, 1 Pflicht)
Es gibt Fälle, in denen vernünftig sein, feig sein heißt.
(36 GLAUBEN, DENKEN, VERSTEHEN, 2 Vernunft)
Der Arme rechnet dem Reichen die Großmut niemals als Tugend an.
(1 arm, 12 BESITZ, 1 Großmut, 1 reich, 2 Tugend, 13 TUGENDEN UND LASTER)
Gebrannte Kinder fürchten das Feuer oder vernarren sich
darein.
(1 Feuer, 21 PSYCHOLOGIE)
Gegenseitiges Vertrauen ist wichtiger als gegenseitiges
Verstehen.
(13 BEZIEHUNGEN UND KOMMUNIKATION, 1 Verstehen, 2 Vertrauen)
Man kann nicht allen helfen, sagt der Engherzige und hilft
keinem.
(13 EGOISMUS UND ALTRUISMUS, 1 Engherziger, 5 helfen)
Es gibt wenig aufrichtige Freunde - die Nachfrage ist auch
gering.
(5 Freund, 8 MITMENSCHEN)
Im Grunde ist jedes Unglück gerade nur so schwer, als man es
nimmt.
(23 GLÜCK UND UNGLÜCK, 8 Unglück)
Nur der Denkende erlebt sein Leben, am Gedankenlosen zieht es
vorbei.
(4 denken, 36 GLAUBEN, DENKEN, VERSTEHEN)
Es schreibt keiner wie ein Gott, der nicht gelitten hat wie ein
Hund.
(18 REDEN UND SCHREIBEN, 5 schreiben)
Die Menschen, denen wir eine Stütze sind, die geben uns Halt im
Leben.
(2 Halt, 5 helfen, 31 LEBEN UND SCHICKSAL, 10 Mensch, 23 MENSCHEN)
Die verstehen sehr wenig, die nur das verstehen, was sich erklären
lässt.
(36 GLAUBEN, DENKEN, VERSTEHEN, 2 verstehen)
Die guten Freunde sind da, um uns zu sagen, was unsere Feinde von
uns denken.
(2 Feind, 5 Freund, 8 MITMENSCHEN)
Wer sich keine Annehmlichkeiten versagen kann, wird sich nie ein
Glück erobern.
(13 Glück, 23 GLÜCK UND UNGLÜCK)
Sag etwas, das sich von selbst versteht, zum erstenmal und du bist
unsterblich.
(18 REDEN UND SCHREIBEN, 2 sagen, 3 unsterblich)
Es gehört weniger Mut dazu, der allein Tadelnde, als der allein
Lobende zu sein.
(1 Lob, 15 LOB, TADEL, URTEIL, 1 Tadel)
Was Menschen und Dinge wert sind, kann man erst beurteilen, wenn sie
alt geworden.
(2 alt, 11 JUGEND UND ALTER, 1 wert sein)
Liebhabereien bewahren vor Leidenschaften; eine Liebhaberei wird zur
Leidenschaft.
(9 AMT UND POLITIK, 1 Liebhaberei)
Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft. - Es kommt auf
das Material an.
(31 LEBEN UND SCHICKSAL, 6 Schicksal)
Sich mit wenigem zu begnügen, ist schwer, sich mit viel zu begnügen,
noch schwerer.
(12 BESITZ, 1 viel, 1 wenig)
Wenn die Neugier sich auf ernsthafte Dinge richtet, dann nennt man
sie Wissensdrang.
(36 GLAUBEN, DENKEN, VERSTEHEN, 1 Neugier, 1 Wissensdrang)
Über das Kommen mancher Leute tröstet uns oft nichts als die
Hoffnung auf ihr Gehen.
(1 Besuch, 8 MITMENSCHEN)
Wer in die Öffentlichkeit tritt, hat keine Nachsicht zu erwarten und
keine zu fordern.
(9 AMT UND POLITIK, 1 Öffentlichkeit)
Wenn man das Dasein als eine Aufgabe betrachtet, dann vermag man es
immer zu ertragen.
(1 Dasein, 2 ertragen, 31 LEBEN UND SCHICKSAL)
Der Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten in ihren
unübersetzbaren Worten.
(18 REDEN UND SCHREIBEN, 1 Sprache)
Ein wahrer Freund trägt mehr zu unserem Glück bei als tausend Feinde
zu unserem Unglück.
(2 Feind, 5 Freund, 13 Glück, 23 GLÜCK UND UNGLÜCK, 8 MITMENSCHEN, 8 Unglück)
Daß soviel Ungezogenheit gut durch die Welt kommt, daran ist die
Wohlerzogenheit schuld.
(13 ERZIEHUNG, 1 ungezogen, 1 wohlerzogen)
Wir sind leicht bereit, uns selbst zu tadeln, unter der Bedingung -
daß niemand einstimmt.
(15 LOB, TADEL, URTEIL, 1 Selbstkritik)
Wer sich seiner eigenen Kindheit nicht mehr deutlich erinnert, ist
ein schlechter Erzieher.
(1 Erzieher, 13 ERZIEHUNG)
Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben,
macht unser Schicksal aus.
(31 LEBEN UND SCHICKSAL, 6 Schicksal)
Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten, die sie
selbst ihnen anerzogen haben.
(2 Eltern, 13 ERZIEHUNG, 6 Erziehung, 7 Fehler, 3 Kinder)
Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter seinem Hauche
entfalten sich die Seelen.
(1 entfalten, 31 LEBEN UND SCHICKSAL, 5 Schmerz)
Ein stolzer Mensch verlangt von sich das Außerordentliche, ein
hochmütiger schreibt es sich zu.
(2 Hochmut, 1 Mensch, stolzer, 13 TUGENDEN UND LASTER)
Den Menschen, die große Eigenschaften besitzen, verzeiht man ihre
kleinen Fehler am schwersten.
(8 FEHLER, 7 Fehler, 23 MENSCHEN, 4 Menschen, große)
Der Gescheitere gibt nach! Ein unsterbliches Wort. Es begründete die
Weltherrschaft der Dummheit.
(3 Dummheit, 1 gescheit, 36 GLAUBEN, DENKEN, VERSTEHEN, 2 nachgeben)
Die Welt gehört denen, die sie haben wollen, und wird von jenen
verschmäht, denen sie gehören sollte.
(12 BESITZ, 1 gehören, 9 WELT, 8 Welt)
Im Unglück finden wir meistens die Ruhe wieder, die uns durch die
Furcht vor dem Unglück geraubt wurde.
(23 GLÜCK UND UNGLÜCK, 8 Unglück)
Wir sind so eitel, daß uns sogar an der Meinung der Leute, an denen
uns nichts liegt, etwas gelegen ist.
(1 eitel, 21 PSYCHOLOGIE)
Man bleibt jung, solange man noch lernen, neue Gewohnheiten annehmen
und einen Widerspruch ertragen kann.
(11 JUGEND UND ALTER, 2 jung)
Viele Leute glauben, wenn sie einen Fehler erst eingestanden haben,
brauchen sie ihn nicht mehr abzulegen.
(8 FEHLER, 7 Fehler)
Mehr noch als nach dem Glück unserer Jugend sehnen wir uns im Alter
nach den Wünschen unserer Jugend zurück.
(5 Alter, 11 JUGEND UND ALTER)
Ausnahmen sind nicht immer Bestätigung der alten Regel; sie können
auch die Vorboten einer neuen Regel sein.
(1 Ausnahmen, 7 ENTDECKUNG UND ERFINDUNG, 36 GLAUBEN, DENKEN, VERSTEHEN)
Es würde sehr wenig Böses auf Erden getan werden, wenn das Böse
niemals im Namen des Guten getan werden könnte.
(2 Böses tun, 10 GUT UND BÖSE)
Du wüßtest gern, was deine Bekannten von dir sagen? Höre, wie sie
von Leuten sprechen, die mehr wert sind als du.
(2 Bekannter, 8 MITMENSCHEN)
Um ein öffentliches Amt glänzend zu verwalten, braucht man eine
gewisse Anzahl guter und - schlechter Eigenschaften.
(3 Amt, 9 AMT UND POLITIK, 1 Eigenschaft)
Kein Mensch weiß, was in ihm schlummert und zutage kommt, wenn sein
Schicksal anfängt, ihm über den Köpf zu wachsen.
(31 LEBEN UND SCHICKSAL, 10 Mensch, 23 MENSCHEN, 6 Schicksal)
Das Urteil auch des weisesten Elefanten gilt einem Eselchen lange
nicht so viel wie das Urteil eines andern Eselchen.
(15 LOB, TADEL, URTEIL, 3 urteilen)
Wenn eine Frau sagt jeder, meint sie: jedermann.
Wenn ein Mann sagt jeder, meint er: jeder Mann.
(13 BEZIEHUNGEN UND KOMMUNIKATION, 1 Frau, 1 Mann, 23 MENSCHEN)
Der Gedanke an die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge ist ein
Quell unendlichen Leids - und ein Quell unendlichen Trostes.
(31 LEBEN UND SCHICKSAL, 1 Vergänglichkeit)
Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die
Notwehr uns zwingt, allmählich in seine Fehler zu verfallen.
(13 EGOISMUS UND ALTRUISMUS, 1 Egoist)
Beim Wiedersehen nach einer Trennung fragen die Bekannten nach dem,
was mit uns, die Freunde nach dem, was in uns vorgegangen.
(2 Bekannter, 5 Freund, 8 MITMENSCHEN)
Es darf so macher Talentlose von dem Werk so manches Talentvollen
sagen: Wenn ich das machen könnte, würde ich es besser machen.
(3 Talent, 19 WOLLEN, KÖNNEN, TUN)
Und ich habe mich so gefreut! sagst du vorwurfsvoll, wenn dir eine
Hoffnung zerstört wurde. Du hast dich gefreut - ist das nichts?
(3 freuen, 2 Hoffnung, 5 HOFFNUNG UND ENTTÄUSCHUNG)
Es gibt Menschen mit leuchtendem und Menschen mit glänzendem
Verstande. Die ersten erhellen ihre Umgebung, die zweiten verdunkeln
sie.
(36 GLAUBEN, DENKEN, VERSTEHEN, 6 Verstand)
Beim Tode eines geliebten Menschen schöpfen wir eine Art Trost aus
dem Glauben, dass der Schmerz über unseren Verlust sich nie vermindern
wird.
(7 TOD, 3 Tod, 3 Trost)
Es stände besser um die Welt, wenn die Mühe, die man sich gibt, die
subtilsten Moralgesetze auszuklüglen, zur Ausübung der einfachsten
angewendet würde.
(2 Moral, 9 WELT, 8 Welt, 19 WOLLEN, KÖNNEN, TUN)
Wenn wir auch der Schmeichelei keinen Glauben schenken, der
Schmeichler gewinnt uns doch. Einige Dankbarkeit empfinden wir immer für
den, der sich die Mühe macht, uns angenehm zu belügen.
(15 LOB, TADEL, URTEIL, 2 schmeicheln, 13 WAHRHEIT UND LÜGE)
Einen Gedanken verfolgen - wie bezeichnend dies Wort! Wir eilen ihm
nach, erhaschen ihn, er entwindet sich uns, und die Jagd beginnt von
neuem. Der Sieg bleibt zuletzt dem Stärkeren. Ist es der Gedanke, dann läßt
er uns nicht ruhen, immer wieder taucht er auf - neckend, quälend, unserer
Ohnmacht, ihn zu fassen, spottend. Gelingt es aber der Kraft unseres
Geistes, ihn zu bewältigen, dann folgt dem heißen Ringkampf ein
beseeligendes, unwiderstehliches Bündnis auf Leben und Tod, und die Kinder,
die ihm entspringen, erobern die Welt.
(10 GEDANKEN, 11 Gedanken)
© Thu Dec 8 00:13:43 201, Laurenz Wiskott, http://www.ini.rub.de/PEOPLE/wiskott/