Hörphysiologische Grundlagen

Um die folgenden Abschnitte nachvollziehbarer zu machen, scheint es mir notwendig einige physiologische Grundlagen des räumlichen Hörens kurz zu beschreiben. Ich lege dabei weniger Wert auf technische Genauigkeit, velmehr soll dieser Abschnitt eine Vorstellung von den Faktoren geben, die die Raumwahrnehmung bestimmen.[4]

Richtungswahrnehmung

Schall bewegt sich als Welle im Raum und kann reflektiert und absorbiert werden sowie Resonanz erzeugen. Obgleich die meisten Schallquellen durchaus eine (frequenzabhängige) Richtwirkung haben ist hörbarer Schall, in Analogie zum Licht gesehen, eher Flutlicht als Spotlight oder Laser. Für die Richtungswahrnehmung spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Kommt ein Geräusch[5] von links, so trifft es direkt auf das linke Ohr. Das rechte nimmt es leiser auf. Dieser Lautstärkeunterschied gibt eine Information über die Richtung, aus der das Geräusch kommt. Weiterhin trifft ein Geräusch, das von der Seite kommt, ein Ohr erst minimal später als das andere. Dieser Zeitunterschied ermöglicht ein sehr präzises Bestimmen der Richtung der Schallquelle auf der horizontalen Ebene. Aber schon ein einziges Ohr kann Richtungen -zumindest bekannter oder sich bewegender Schallquellen orten. Durch vielfältige Brechung des Schalls in Ohrmuschel und Gehörgang entstehen Interferenzmuster, die das Klangbild charakteristisch verändern. Auf diese Weise werden auch Unterscheidungen wie oben-unten und vorn-hinten möglich. Sollten diese Informationen nicht ausreichen, gibt es noch die Möglichkeit "hinzuhören", d.h. seinen Kopf zu drehen, um eine weitere Perspektive hinzuzufügen.[6]

Entfernungswahrnehmung

Um die Entfernung einer Schallquelle zu bestimmen, ist vor allem Hörerfahrung notwendig. Außerhalb von Räumen spielen sich entfernungsabhängige Veränderungen hauptsächlich auf der klanglichen Ebene ab. Entfernt man sich von einer Schallquelle, so werden die Höhen gleichmäßig immer stärker bedämpft. Die Lautstärke der Tiefen fällt dagegen anfangs sehr schnell, dann deutlich langsamer ab. Um die Entfernung einschätzen zu können, ist es notwendig, eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, wie die Schallquelle aus der Nähe klingt.

Raumeindruck

In Räumen ist die Entfernungswahrnehmung auch auf andere Weise möglich. Eine Schallquelle im Raum strahlt den Schall nicht direkt und ausschließlich auf das Ohr aus, sondern ebenso auf Wände, Fenster, sowie alles, was sich im Raum befindet. Der Schall wird vielfach reflektiert, wobei, je nach Beschaffenheit der Reflektionsflächen bestimmte Bestandteile des Klanges, i.d.R. hohe Frequenzen, bedämpft werden. Andererseits können einzelne Materialien zur Resonanz angeregt werden. Die reflektierten Anteile brechen sich wiederum vielfach, wodurch ein diffuser Hall entsteht. Hieraus kann der Hörer ein Bild des Raumes ableiten und -als Nebeneffekt- die Entfernung der Schallquelle einschätzen. Für die Wahrnehmung von Raumgröße und Form sind, mehr als die Länge des Halls, vor allem die sog. Erstreflektionen (üblich ist auch der englische Begriff "Early Reflections") wichtig, die, im Gegensatz zur diffusen "Hallfahne" noch als einzelne Echos wahrnehmbar sind.[7] Der Klang des Halls als Ganzes läßt, bestimmt durch Dämpfung und Resonanzen, Rückschlüsse auf Baumaterialien und Inhalt des Raumes zu. Mittels kombinierter Richtungs- Entfernungs- und Raumwahrnehmung kann sich ein Hörer eine sehr genaue Vorstellung seiner akustischen Umgebung machen.

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