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Die von der Anlagebehörde des Haager Tribunals eingerichtete Kommission hat heute ihren Bericht zur Beurteilung der NATO-Bombenangriffe gegen das ehemalige Jugoslawien vorgelegt. Der Bericht begründet die Entscheidung der Chefanklägerin des Tribunals, die Ermittlungen gegen die NATO weder hinsichtlich spezieller Angriffe noch wegen der Bombardierungen als solche fortzuführen. Sorgfältig setzt sich der Bericht mit den von einigen Organisationen kritisierten Angriffen auseinander und identifiziert das nach Auffassung der Kommission anwendbare humanitäre Völkerrecht: So wird der Einsatz von depleted uranium Munition als gegenwärtig noch völkerrechtlich zulässig angesehen. Die NATO habe cluster bombs rechtmäßig und nicht zur Terrorisierung der Zivilbevölkerung eingesetzt. Vorsichtsmaßnahmen seien bei den in Frage stehenden Angriffen beachtet worden. Detailliert geht der Bericht auf einzelne Angriffe ein und bewertet sie vor dem Hintergrund des nach Auffassung der Kommission existierenden Rechts. Die Probleme bei der praktischen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips werden einleuchtend an Hand der konkreten Fälle dargestellt. Weniger überzeugend sind die Ausführungen des Berichts zur Frage, ob jeweils begründeterweise militärische Ziele angegriffen worden sind. Nach Bestätigung der gewohnheitsrechtlichen Geltung des Art. 52 ZP I, legt der Bericht im Unterschied zu diesem Artikel großen Wert auf in der Vergangenheit diskutierte Listen von konkreten Objekten, die als Ziele auch Kommunikationseinrichtungen nennen. Auch weitere Passagen des Berichts sind nicht widerspruchsfrei, wenn einerseits der Art. 57 ZP I für geltend angesehen wird und andererseits eine visuelle Zielidentifikation aus 15.000 Fuß Höhe bei gemischten militärisch-zivilen Objekten für ausreichend erachtet wird. Unbeantwortet bleibt darüber hinaus die Kardinalfrage, ob die Einstellung der Ermittlungen gegen die NATO erfolgen konnte, obwohl die Kommission keinen der direkt Beteiligten vernommen hat. Die erste wichtige Aufklärungsarbeit hat die Kommission der NATO oder den nationalen Streitkräften überlassen. Es ist fraglich, wie die für den Angriff wichtige Intention der Beteiligten und die Ihnen zur Verfügung stehende Information allein auf der Grundlage von Berichten von Vorgesetzten beurteilt werden kann, wobei unklar bleibt, ob diese der Kommission überhaupt vorlagen. Offensichtlich verfolgen die NATO und ihre Mitglieder eine eigenwillige Interpretation von Art. 29 des ICTY-Statuts, der alle Staaten zur Mitarbeit verpflichtet.
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