Integriertes Proseminar                                                                   Ruhr-Universität Bochum

„Politische Partizipation“                                                                Sommersemester 2002

Dozent: Dr. Dieter Scheler

Verfasser: Carsten Wiemann

 

  

Politische Partizipation im Spätmittelalter

  - Eine Analyse am Beispiel des Herzogtums Berg -

 

Inhaltsverzeichnis

                                                                        

 

 

 

 

           

1.                Einleitung                                        

 

 

2.                Die Urkunde von 1397 im historischen Kontext           

 

 

3.                Der Vergleich von 1405 im historischen Kontext           

 

 

4.                Analyse der politischen Partizipationsmöglichkeiten         

 

 

5.                Schluss                                             

 

 

6.                Literaturverzeichnis                                       

 

 

 

 

 

 

 

1.            Einleitung

 

 

Grundlage dieser Seminararbeit sind zwei Urkunden des Herzog Wilhelm II von Berg und seiner Söhne von 1397 und 1405. Ziel dieser Seminararbeit ist es, diese beiden Urkunden in den historischen Kontext zu setzen und entsprechend inhaltlich zu analysieren. Es wird aufzuzeigen sein, was die geschichtlichen Hintergründe für das Zustandkommen dieser Urkunden sind, und was diese im weiteren für Vereinbarungen beinhalten.

Auch gilt es anhand der vorgegebenen Fragestellung zu interpretieren, welche Möglichkeiten der politischen Partizipation in jener Zeit für die handelnden Akteure bestehen und wie sich diese in den Urkunden ausdrücken. Gibt es jenseits der Herrschenden überhaupt politische Partizipation? Ist diese formal festgelegt? Welche Rolle spielen andere Herrscher,  die Ritter, Diestmänner, Städte und Gemeinden?

 

 

2.            Die Urkunde von 1397 im historischen Kontext

 

Ausgangslage für diesen Vertrag zwischen Wilhelm II. und seinen drei Söhnen ist die Fehde des Herzogtum Berg mit den benachbarten Grafschaften Kleve und von der Mark. Durch die familiäre Vereinigung der beiden Grafschaften im Jahr 1371 wuchs der Druck auf Wilhelm II. und sein Herzogtum Berg.[1]

Anlässlich eines Streites über die Rente aus einem Zoll für Kaiserswerth[2] zog er in einen Feldzug gegen die Grafschaft Kleve, in welcher er sich, nach der Schlacht bei Cleverhamm, die er gegen Adolf I. von Kleve-Mark verlor, gefangen nehmen lassen musste.[3]

Die Sieger setzten eine Auslösesumme von 74000 Goldschilden fest, versehen mit einer konkreten Vorstellung, welche Städte und Ämter vom Herzogtum hierfür zu verpfänden seien.[4]

 

Als Reaktion über die Festsetzung ihres Vaters besetzten die Söhne seinen Stammsitz in Düsseldorf und bemächtigten sich seines Eigentums.[5]

So war der Herzog gezwungen sich mit seinen Söhne zu verständigen. Am 2. September wurde er vorläufig aus der Gefangenschaft entlassen und der Vertrag vom 24.Oktober, unsere erste Urkunde, ausgehandelt.[6]

In dieser Urkunde versichern sich beide Seiten, sich zukünftig friedlich gegeneinander zu verhalten. Ferner wird festgeschrieben, dass die Söhne die Burg Hückeswagen, die Städte Wipperfürth und Lennep, sowie  Steinbach und Bornefeld, mit den ihnen versehenen Ämtern, direkt erhalten. Des weiteren wird ihnen ein sicheres Erbe zugestanden.[7]

Im Gegenzug soll Wilhelm von seinen Söhnen Düsseldorf und die dort von ihnen erbeuteten Wertgegenstände zurück erhalten.[8]

Weiterer wesentlicher Inhalt dieses Vertrages sind die Absprachen in Bezug aus das zu zahlende Lösegeld und die entsprechenden Verpfändungen. Um die geforderten 74000 Schilde an Kleve bezahlen zu können, sollen die Burgen Windeck, Beyenburg, Sinzig und Remagen mit ihrem Zubehör versetzt werden. Es wird festgeschrieben, dass weitere Ländereien, Städte und Burgen weder von dem Vater, noch von den Söhnen, versetzt  werden dürfen. Ausnahmefälle kann es geben, sie erfordern jedoch die gegenseitige Einverständnis und das Einverständnis der Ritter und weiterer Institutionen. Im Fall einer Gefangennahme sollen die Betroffenen ebenfalls unter Einsatz von Burgen und Städten ausgelöst werden können. Auch hierfür ist die Zustimmung erforderlich.[9]

Im weiteren Verlauf der Urkunde wird der Frieden zwischen dem Vater und den Söhnen festgeschrieben und diejenigen Personen festgelegt, welche im Fall eines Bruchs dieses Vertrages, eingreifen und die Vertragsvereinbarung wieder herstellen.[10]

 

3.            Der Vergleich von 1405 im historischen Kontext

 

Die durch den Vertrag von 1397 geschaffenen Vereinbarungen wurden nicht lange eingehalten.

Fest steht, dass die finanzielle Lage des Herzogs problematisch war.

Bereits 03. November 1399 musste er die Kirchspiele Mülheim an der Ruhr und Radevormwald, sowie den Hof Barmen versetzen.[11]

Weitere Schulden, die aus seiner Niederlage gegen Kleve entstanden, musste er durch König Wenzel für fünf Jahre fristen lassen und begab sich zudem in ein Lehenverhältnis mit König Richard von England.[12]

Über die Gründe der weiteren Geschehnisse ist die Sekundärliteratur wenig präzise und weitere Quellen liegen nicht vor, so dass man hier interpretieren muss.

Offensichtlich lehnten sich die Söhne abermals gegen ihren Vater auf. Als Grund wird der drohende Verlust ihres Erbes aufgeführt.[13]

Bereits die Verpfändung der Kirchspiele von 1399 widersprach dem Abkommen von 1397. Die ablaufende Fristung durch König Wenzel für das Jahr 1403 ließ weitere nötige Verpfändungen erwarten.

Dem wollten die Söhne wahrscheinlich entgehen.

So vertrieben sie ihren Vater aus Düsseldorf[14] und nahmen ihn  am 28. November 1403 bei Monheim gefangen um ihn in Schloss Burg zu inhaftieren.[15]

Am 24. August 1404 gelang Wilhelm die Flucht von dort und er begab sich nach Zons, wo er sich mit dem Erzbischof Friedrich II. von Köln und seinem Sohn Wilhelm, Bischof von Paderborn, der jetzt wieder auf seiner Seite stand, verbündete.[16]

Er verwüstete die Städte Ratingen, Solingen, sowie Wipperfürth[17] und setzte seinen Hauptkontrahenten, Adolf I. Jungherzog von Berg, unter Druck.

 

Verstärkt wurde dieser Druck durch das Eingreifen König Ruprechts. So ließ sich Adolf auf einen Vergleich mit seinem Vater ein.[18]

Am 2. Juli 1405 wurde ein Vergleich geschlossenen, in welchem die zukünftigen Land-,  Finanz-  und Machtverhältnisse neu festgeschrieben wurden. Beide Seiten verpflichten sich ihre Differenzen als beigelegt zu betrachten und miteinander ausgesöhnt zu sein. Gleiches gilt auch für die jeweilige Gefolgschaft.[19]

Die Stadt Düsseldorf, samt Schloss, Zoll und seinen Höfen, erhält Wilhelm hiernach zurück. Ebenso das Haus in Benrath und die Ämter von Monheim und Miselohe,  das Schloss Lülsdorf und die Festung von Porz sowie einige Kirchspiele im südlichen Herzogtum. Das gesamte restliche Territorium des Herzogtum Berg fällt an den Jungherzog Adolf.[20]

Adolf verpflichtet sich Ausgleichszahlungen aus dem Amt Mettmann, in Höhe von 650 rheinischen Gulden, an seinen Vater abzuführen.[21]

Zudem tilgt Adolf sämtliche Schulden seines Vaters, ausgenommen der Liebzucht von Köln, und bezahlt an dessen Stelle den Zoll von jährlich 1000 Gulden an den Herrn von Westerburg.[22]

Sämtliche Wertgegenstände aus den Schlössern, die Wilhelm nun zurückerhält, müssen an diesen zurückgehen. Die große Steinbüchse, eine große wertvolle Kanone, erhält Graf Adolf von Kleve-Mark.[23]

Beide Parteien versichern sich abermals, dass sie ohne gegenseitiges Einverständnis, keine Verpfändungen von Land und Besitz vornehmen.

Adolf wird, unter Wahrung der Rechte seiner Brüder, Erbe des Herzog Wilhelm.[24]

Mit diesem Vertrag scheint die Familienfehde beendet zu sein. In der Sekundärliteratur ist kein Hinweis darauf zu finden, dass dieser Vergleich vor dem Tod Wilhelms am 25. Juni 1408 von einer Seite gebrochen wird.

 

 

 

4.            Analyse der politischen Partizipationsmöglichkeiten

 

Ausgehend von der Ereignisgeschichte hat man bei Betrachtung des historischen Hintergrundes vor dem sich die beiden Urkunden bewegen den Eindruck, das offenbar der Herzog und seine Söhne und weitere hohe adelige Herrscher die autark handelnden Persönlichkeiten darstellen.

Bei genauerer Betrachtung der Urkundentexte und der Umsetzung auf den historischen Gesamtzusammenhang wird jedoch klar, dass diese Annahme wahrscheinlich nicht ganz zutreffend ist.

Das häufige Einbeziehen von Aufzählungen wie zum Beispiel: „seine Untersassen, Ritter, Knechte, Städte, Bürger und Hausleute“[25] in beiden Urkunden macht deutlich, dass diese Personengruppen ebenfalls einen nennenswerten Stellenwert im gesellschaftlichen Gefüge des Herzogtums Berg innehaben.

Speziell die Bereiche Verpfändung von Ländereien und friedenserhaltende Maßnahmen scheinen im Kooperationsverhältnis zwischen dem Herrschenden und seinem Untertan eine symbiotische Bedeutung zu haben. Sie stellen eine weitere Kontrollinstanz dar und sollen Verstöße gegen bestehende Verträge ahnden.

Faktisch kann die Herrschaft über ein Territorium nicht allein von Einzelpersonen getragen werden. Ritter, welche verschiedene Ämter verwalten und Städte, die für wirtschaftlichen Wohlstand sorgen, sind tragende Säulen eines Herrschaftssystems.

Adolf gelang es die bergische Ritterschaft durch Privilegien, für welche sie im Rahmen der Finanzknappheit seines Vater sehr empfänglich war, hinter sich zu bringen.[26]

Auch die Stadt Düsseldorf, dem Stammsitz des Herzog Wilhelm, ließ Adolf gewähren, da sie Privilegien wie das Bierbraurecht und Steuererlasse zugesprochen bekam. Ähnliches gilt für andere Städte.[27]

Diese Beispiele zeigen den Einfluss und die Rolle, welche Städte, Ritter und Untertanen innehatten.

Hätte Adolf Düsseldorf auch gegen den Willen der Ritter, sowie der Stadt selbst, halten können?

Es wäre zumindest wesentlich aufwendiger gewesen.

 

Die Urkunden machen aber auch deutlich, dass neben dem Volk, auch die Herrscher anderer Territorien Möglichkeiten der politischen Partizipation haben. Sie sichern nicht nur Verträge und Vergleiche mit ihrem Namen, sie greifen auch aktiv in das politische Geschehen ein, wenn es von Nöten ist. Dies zeigt die Unterstützung des Erzbischofs Friedrich II. für Herzog Wilhelm, nachdem dieser aus Schloss Burg geflohen war und der Einfluss König Ruprechts auf den Frieden zwischen dem Herzog und seinem Sohn Adolf.

 

 

6.     Schluss

 

Politische Partizipation findet im Herzogtum Berg in dem betrachteten Zeitraum in jedem Fall statt. In der Sekundärliteratur werden die  Herzogssöhne, speziell der Jungherzog Adolf, als die alleinigen Aggressoren dargestellt. Es fällt schwer zu glauben, dass es diesen jungen Männern ohne jede Unterstützung gelungen wäre, ihrem Vater sein eigenes Herzogtum zu enteignen.

Speziell die bergische Ritterschaft, sowie die Städte und Burgen haben durchaus einen eminenten Einfluss bei politischen Prozessen.

Dieser Einfluss kann passiv ausgeübt werden, z.B. wenn Burgen oder Kirchspiele verpfändet werden sollen und daraufhin politische Ereignisse initiiert werden. Oder es wird aktiv eingriffen und das Handeln, der Akteure somit geprägt wird.

An diesem Beispiel des Herzogtum Berg zeigt sich, dass auch in der Epoche Mittelalter, in welcher große soziale Klassenspaltungen bestehen, durchaus, in einem gewissen Rahmen, politische Partizipation möglich war.

 

 

 

 

 

7.     Literaturverzeichnis

 

 

Quellen

 

Urkunde Herzog Wilhelm von Berg und seiner Söhne (1397) (ed. Theodor Joseph Lacomblet: Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, Bd. 3, Düsseldorf 1853, Nr. 1033. Seite 920-921) (Übersetzung)

 

Urkunde Herzog Wilhelm von Berg und Jungherzog Adolf von Berg (1405 Juli 2) (ed. Theodor Joseph Lacomblet: Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, Bd. 4, Düsseldorf 1858, Nr. 38, Seite 37-39) (Übersetzung)

 

 

Sekundärliteratur

 

Düsterwald, E.: Kleine Geschichte der Grafen und Herzöge von Berg, Sankt Augustin 1980

 

Hashagen, J.: Bergische Geschichte, Remscheid 1958

 

Lacomblet, T.J.: Archiv für die Geschichte des Niederrheins, Bd. 4, Heft 1, § 38, Neudruck der Ausgabe 1832-1870, Osnabrück 1968

 

Redlich: Artikel: Wilhelm I., Herzog von Berg, in Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Bd. 42, Leipzig 1897, Seite 723-727

 

Strauven: Artikel: Adolf, Herzog von Jülich, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 1, Leipzig 1875, Seite 96ff

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1] Düsterwald: Kleine Geschichte, Seite 38

[2] Redlich: Wilhelm I., in: ADB, Seite 725

[3] Düsterwald: Kleine Geschichte, Seite 38

[4] Lacomblet: Geschichte des Niederrheins, Seite 117

[5] Redlich: Wilhelm I., Seite 726

[6] Lacomblet: Geschichte des Niederrheins, Seite 118

[7] Urkunde Herzog Wilhelm (1397), Übersetzung, Seite 1, Zeile 4-14

[8] Urkunde Herzog Wilhelm (1397), Übersetzung, Seite 1, Zeile 41-47

[9] Urkunde Herzog Wilhelm (1397), Übersetzung, Seite 1, Zeile 27-40

[10] Urkunde Herzog Wilhelm (1397), Übersetzung, Seite 2, Zeile 12-26

[11] Hashagen: Bergische Geschichte, Seite 80

[12] Redlich: Wilhelm I. , Seite 726

[13] Düsterwald: Kleine Geschichte, Seite 38

[14] Düsterwald: Kleine Geschichte, Seite 38

[15] Redlich: Wilhelm I. , Seite 726

[16] Hashagen: Bergische Geschichte, Seite 81

[17] Düsterwald: Kleine Geschichte, Seite 39

[18] Redlich: Wilhelm I. , Seite 726

[19] Urkunde Herzog Wilhelm (1405), Übersetzung, Seite 1, Zeile 1-12

[20] Urkunde Herzog Wilhelm (1405), Übersetzung, Seite 1, Zeile 13-27

[21] Urkunde Herzog Wilhelm (1405), Übersetzung, Seite 1, Zeile 28-36

[22] Urkunde Herzog Wilhelm (1405), Übersetzung, Seite 2, Zeile 24-36

[23] Urkunde Herzog Wilhelm (1405), Übersetzung, Seite 2, Zeile 11-18

[24] Urkunde Herzog Wilhelm (1405), Übersetzung, Seite 2, Zeile 4-10

[25] Urkunde Herzog Wilhelm (1405), Seite1, Zeile 43f

[26] Straven: Adolf, Herzog von Jülich, Seite 96

[27] Lacomblet: Geschichte des Niederrheins, Seite 122