Die Ordnung Mantodea oder Fangschrecken, Gottesanbeterinnen ist trotz
ihrer relativen Artenarmut (nur wenig über 2000 Arten) und Seltenheit
(die einzige mitteleuropäische Art Mantis religiosa ist vom Aussterben bedroht)
eine der berühmtesten Verwandtschaftsgruppe der Insekten. Das räuberische
Verhalten und die taschenmesserartig einklappbaren Fangbeine haben sicherlich
- obwohl nicht einzigartig unter den Insekten - wie das Männermorden zur
Popularität der Mantodea entscheidend beigetragen.
Die Mantodea sind den Schaben Blattodea nächstverwandt und ähneln ihnen
stark im Bau des Kopfes, der langen Coxen (Hüften der Extremitäten), des
Abdomens und der Flügel, insbesondere des Flügelgeäders. Auch ihr innerer
Bau weist starke Gemeinsamkeiten auf und die Eiablage in Paketen, die mit
erhärtendem Sekret eingehüllt sind (Ootheken), teilen sie ebenfalls mit den Schaben.
Daher wurden sie in der Vergangenheit sogar oft zusammen mit den Blattodea
in einer Ordnung Dictyoptera zusammengefaßt, diese Einteilung hat sich
aber nicht durchgesetzt. Die wesentliche morphologische Besonderheit der Mantodea besteht
dann auch eigentlich in den zu Fangbeinen modifizierten Vorderbeinen, meist
ist auch das Pronotum (Vorderbrust) halsartig verlängert, fast immer erlauben
die zwei hinteren Beine kein rasches Laufen mehr, wie dies die Schaben vermögen,
dafür können viele Gottesanbeterinnen gut springen.
Die Gottesanbeterinnen sind überwiegend in den Tropen und Subtropen
verbreitet, ihren Verbreitungsschwerpunkt haben sie in der alten Welt.
Die einheimische Mantis religiosa ist bereits die am weitesten nach Norden
vordringende Art und in Mitteleuropa auf ausgesprochene Wärmeinseln (so
z. B. Kaiserstuhl) beschränkt. Meistens sind Fangschrecken Bewohner der
Strauchvegetation und hohen Gräser, wo sie ausgezeichnet getarnt auf
Beute lauern. Die gute Tarnung, die üblicherweise langsame Fortbewegung
bei extrem schnellem Fangapparat, der hohe Energiebedarf und die oft
auffällige Aggressivität der Mantodea erinnert mich immer wieder an
Chamäleons (Sauria: Chamaeleonidae), die unter den Reptilien eine in
etwa vergleichbare Lebensweise führen.
In Gefangenschaft empfiehlt sich bei den meisten Arten Einzelhaltung,
da sich sonst oft auch gleich große Tiere gegenseitig umbringen. Ausnahmen
gibt es auch hier, schlankere Arten der Familie Empusidae sind
meist friedlicher untereinander und können gemeinsam gepflegt werden.
Aber auch diese können gelegentlich Appetit auf einen Artgenossen bekommen!
Meist ist der Nahrungsbedarf erstaunlich hoch. Angezüchtete Gold- (Lucilia sp.)
und Schmeißfliegen (Calliphora sp.), deren Maden im Angelgeschäft
erhältlich sind, stellen ein gutes und billiges Futter für die meisten
Arten dar, im Notfall kann man auch direkt die Maden verfüttern. Große
Arten wie etwa die häufig gehaltene Hierodula membranacea (Burmeister)
mit bis über 90 mm Länge werden allerdings mit Fliegen kaum satt, hier
empfiehlt sich das Verfüttern von Grillen (z. B. die im Zoofachhandel
erhältliche und leicht züchtbare Gryllus bimaculatus Linné) oder Schaben
(z. B. Blaptica dubia).
Zur Zucht wird gewöhnlich das Männchen unter ständiger Aufsicht
zum Weibchen gesetzt, so daß der Pfleger im Notfall noch eingreifen kann.
Bei sehr starkem Größenunterschied zwischen den Geschlechtern, etwa bei
Hymenopus coronatus (Olivier) ist es freilich meistens schon
zu spät, wenn das Weibchen das Männchen erwischt hat. Eine Begattung reicht
gewöhnlich zur Besamung aller von diesem Weibchen produzierten Ootheken
aus. Die Ootheken werden nach Möglichkeit samt Unterlage in einem gesonderten
Behälter aufgezogen und dürfen nicht austrocknen. Die Entwicklung ist
unterschiedlich lang, meist dauert sie gegen zwei Monate. Wegen der
hemimetabolen Entwicklung der Gottesanbeterinnen sind die Larven ihren
Eltern schon sehr ähnlich und werden auch genauso - mit entsprechend
kleiner dimensioniertem Futter - aufgezogen. Auch hier empfiehlt sich
meist Einzelhaltung.
Nachfolgend einige ausgewählte, empfehlenswerte Arten. Auf die in
Mitteleuropa vorkommende Art Mantis religiosa wurde dabei verzichtet, da diese
nach BArtSchV besonders geschützt und vom Aussterben bedroht ist.
Familie Mantidae
Hierodula membranacea (Burmeister) Südliches Asien.
Weibchen 80 bis 90 mm, Abdomen fast 25 mm breit. Männchen fast gleich groß, aber viel schwächer.
Meist einfarbig sattgrün, seltener braun. Eine sehr kräftige Art, die
mit großen Insekten gefüttert werden sollte. Gegenüber dem Pfleger
meist nicht aggressiv. Ziemlich leicht zu pflegen.
Sphodromantis lineola (Burmeister) Tropisches Westafrika. um 65 mm,
ähnlich der vorigen, aber gedrungener und gewöhnlich gelbbraun gefärbt.
Etwas reizbar.
Coptopteryx argentina (Burmeister) Südamerika. Etwa 70 bis 85 mm.
Meist grün, schlank, Weibchen mit sehr verkürzten Flügeln.
Familie Hymenopodidae
Hymenopus coronatus (Olivier) Malaysia. Weibchen um 65
mm, mit Flügeln etwa 80 mm, Männchen mit etwa 25 bis 30 mm sehr viel
kleiner (und bei weitem kurzlebiger). Weißlich bis rosa, Femuren (Oberschenkel)
der Laufbeine blütenblattartig verbreitert. Die Larven zeigen eine
eindrucksvolle Blütenmimese, ob es sich dabei um aggressive Mimikry (Blütenähnlichkeit
zur Anlockung von Beute) handelt, ist unklar. Soll in der Natur vor allem
auf Melastomum polyanthum (Melastomataceae) vorkommen. Verträgt
Grillen und Schaben als Futter nicht gut, besser geeignet sind Fliegen.
Zuchtansätze sollten aus Pärchen oder verschieden alten Larven bestehen, da
sonst oft die Männchen schon nicht mehr leben bevor die Weibchen geschlechtsreif
geworden sind.
Familie Empusidae
Gongylus gongylodes (Linné) Sri Lanka. Weibchen um 95 mm, kurzflügelig,
Männchen langflügelig und etwa 70 mm groß. Braun, sehr bizarr mit äußerst langem Pronotum,
welches in der vorderen Hälfte schildartig verbreitert ist. Langes Kopfhorn, Laufbeine
mit fähnchenartiger Verbreiterung an den Femuren in Knienähe. Hinterleib kurz und
verbreitert. Die eigentümliche Gestalt hat der Art den Beinamen "wandelnde Geige"
eingebracht. Untereinander recht friedlich, da auf kleine Fluginsekten spezialisiert.
Sehr wärmebe- und lichtbedürftig, 35°C dürfen es schon sein. Dennoch dauert die
Larvalentwicklung sehr lange (etwa 1 Jahr), außerdem ist die Zucht nur wenig produktiv.