Liebe Kinder, liebe Eltern, liebe
Älteren, liebe Alten!
Jesus war ein überaus unanständiger Mann. Vielleicht
hat er sogar einen dicken Bauch gehabt. Die Leute damals
schimpften jedenfalls tüchtig auf ihn: "Guckt euch
den an, ein Fresser und Trinker! Seine Freunde hat er unter
den Zöllner, diesen Blutsaugern, und unter
schlechten Menschen, die sich nicht an das Gesetz halten. Er
verkehrt in Zuhälterkreisen. Pfui. So ein
Schweinchen!"(Mt11,19) (Wir versteigern übrigens
heute ein echtes Schweinchen auf dem Fest am Nachmittag) Noch genauer
wird es berichtet, wie er bei Levi, einem Zöllner, zu Gast
ist. Die Zöllner waren damals ja so unbeliebt, weil
sie den armen Fischern und Schäfern den letzten
Pfennig an Steuern wegnahmen im Auftrag der römischen
Besatzungsmacht, ihr kennt das freche Treiben der
Römer ja von Asterix und Obelix, aber in Wirklichkeit
floß damals viel Blut und es ar noch schlimmer als
heute in Chile oder Südafrika. "Und es begab sich,
daß Jesus im Haus vom Zolleintreiber Levi zum Essen
eingeladen war, und viele Zöllner und Sünder
saßen mit Jesus und seinen Jüngern zu
Tisch, denn es waren viele, die mit ihm herumzogen. Und als die
Akademiker unter den besonders korrekt lebenden
Pharisäern das sahen, wie er mit den Zöllnern und
Sündern aß, sagten sie zu seinen
Jüngern, den erwachsenen Schülern, die mit Jesus
durch das Land zogen: "Warum ißt er mit
Zöllnern und Sündern? Ein anständiger Mensch
würde sich doch nicht mit diesen Subjekten
einlassen!" Und Jesus hörte es und sagte: "Nicht die
Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Ich bin
nicht gekommen, die Gerechten und Frommen zu berufen, sondern
die Sünder." " Jesus schämt sich nicht einmal
dafür, daß er mit dieser zweifelhaften
halbseidenen Gesellschaft zusammenist, nein, er findet diese
Mätzchen auch noch gut. Er bereut nicht, er
entschuldigt sich nicht, er bekennt sich zu dieser Gesellschaft der
Sünder. Stellt euch mal vor, ein hoher Politiker
oder auch nur ein Pfarrer würde angetrunken auf
einer Partnertausch-Party eines kokainschnüffelnden
höheren Industriellen oder auch nur in einer kleinen
bescheidenen Capacabana-Bar aufgefunden - ja schade für ihn!
Er würde schnell bereuen! Jesus bereut nicht. Er
steht zu diesen Leuten und er sagt: Gott hat sie lieb. Nicht,
weil sie besonders toll sind, sondern umgekehrt, weil sie besonders
herunter sind. Gott hat eine besondere Sorge um die Menschen,
die kaputt sind, heruntergekommen, am Ende. Zu denen ist
Jesus gekommen. Und wahrscheinlich sind die
Nachtclubmänner und Partnertauschpaare und
kokainsüchtigen Industriellen eben auc ganz
wahnsinnig kaputt und brauchen Liebe, viel mehr Liebe, als die
Gesunden Ehen und glücklichen Familien. Jesus hat
also mit kaputten Typen gefeiert, gegessen und getrunken. Aber
manchmal, da kamen Tage, wo die Gruppe um Jesus keinen
Gastgeber hatte, keine Möglichkeit der
Übernachtung und keine Einladung zum Essen. Dann lebten sie
wie die Vögel unter dem Himmel: Sie säen
nicht, sie ernten nicht, und ihr himmlischer Vater ernährt
sie doch! So nahmen Jesus und die Jünger sich
einfach Ähren vom Feld und stillten damit ihren
Hunger. Und das am Sabbat, wo jeder Handschlag zur Ernährung
strengstens verboten war! Mundraub in Tateinheit mit
Sonntagsarbeit! Ein seltsam ungesichertes Leben, von der Hand
in den Mund. So leben aber auch heute täglich Millionen
von Menschen, und weil man so heute kaum noch leben kann,
sterben so heute, heute nur an diesem einen Sonntag, 80.000
Menschen, doppelt soviel wie Bergkamens
Bürgerschaft. Jesus hatte den Lebensstil armer
Leute. Wir denken dabei an die Leute von Mandu Tawahun, wo 40
Dörfer mit 20.000 Menschen in Sierra Leone keinen einzigen
Arzt haben und wofür wir heute ein Fest machen.
Jesus und Essen, da geht immer etwas schief. So erzählt Jesus
das Gleichnis vom Reich Gottes. Ein reicher Mann, sprich:
Gott, veranstaltet ein riesiges Fest. Er hat alle seine
Freunde eingeladen. Und alle entschuldigen sich: Sie haben gerade
geheiratet und wollen die Braut testen, haben einen Acker zu
kaufen oder sonstwas. Und keiner kommt letztlich. Der Herr
ist sauer. Und jetzt kommt die eigentümliche Umkehrung: Er
lädt die Krüppel, die Kranken, die Penner,
Arbeitslose und alle ein, die sich auf der Straße
herumtreiben. Und mit denen geht dann die Party so r chtig los. So ist
Gottes Welt, eine verkehrte Welt. So sagt Jesus immer wieder
zu seinen Jüngern: Wer von euch der Größte
sein möchte, sei Diener aller anderen. Oder: Die
Ersten werden die Letzten sein. Oder: Was ihr getan habt
einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir getan! Wo
derart unanständig alle natürlichen Ordnungen auf den
Kopf gestellt werden und den Leuten der Kopf verdreht wird,
da ist es schon gar nicht mehr verwunderlich, daß
Jesus dann die Kinder segnet und ausdrücklich in seiner
Nähe haben will: Wer das Reich Gottes nicht annimmt
wie ein Kind, wird nicht hineinkommen! Waren damals Kinder
der letzte Dreck, noch hinter den Frauen, auf einer Stufe mit Hund und
Katze, so wertet Jesus sie als Vorhut des Gottesreiches auf.
Er gibt ihnen in der Gemeinde einen Platz, nicht unter den
Erwachsenen, sondern als Vorbild vor, bei und mit ihnen. Darum
taufen wir eben auch Kinder im Gottesdienst und wenn heute
schon Wildelträger am Computer herumhacken, dann
besteht keine Gefahr, wenn während des Gottesdienstes Kinder
mit oder ohne ihren Schnuller die Gemeinde lebendig machen.
Der Kindergottesdienst ist eher eine Verkümmerung
des Willens Jesu: Laßt die Kinder hineinkommen in
die Predigt, in die Lehre, in das gemeinsame Nachdenken
über das, was Gott will und was wir tun
können. Ich bin sehr stolz auf meine Katechumenen und
Konfirmanden: Diese kleinsten der Gemeinde haben die
größte Summe Geld zusammengesammelt durch
ihren Mut, unbeirrbar von Haus zu Haus zu gehen, die Kunden mit ihren
vollen Taschen vor Plaza anzusprechen und um eine Spende
für Afrika zu bitten. Sie haben
eintausendfünfhundert Mark zusammengesammelt, hier ne Mark, da
sogar zwei Mark, selte schon 5 Mark. Einsam bist du klein,
aber gemeinsam werden wir Anwalt des Lebendigen sein, das
haben unsere Konfirmanden uns gelehrt. Ihre Einsatzbereitschaft war
ungeheuer! Sie haben Nähe zu Gottes Welt. Einsatz
für das Leben - so könnte man die Geschichte Jesu in
einem Wort benennen. Jesus, der auf so unanständige
Weise die Freundschaft Gottes zu den Kaputten und Armen
gelebt hat, bekam den Arm des Gesetzes zu spüren. Das Kreuz
ist die Antwort dieser Welt auf grenzenlose Liebe. Er hat es
einfach übertrieben mit seinen Mätzchen. In der Nacht
des Passah-Festes haben sie ihn verhaftet zum Schauprozeß.
Bevor sie kommen, die Gestapo der israelitischen Machthaber,
feiert Jesus noch einmal, feiert mit seinen Jüngern
das Fest der Befreiung, Befreiung aus der Sklaverei im
ägyptischen Städtebaudienst unter der
Peitsche des Pharao. Jesus und seine Jünger feiern wie
alle Juden damals. Sie feiern Gott, der ihnen die Freiheit
geschenkt hat, dem sie das Leben in einem guten und
wohlhabenden Land verdanken. Damals wurde ein Lamm geopfert,
als Wegzehrung auf der Flucht in die Freiheit. Jetzt suchen die
Herrscher wieder ein Opfer. Jesus. Er flieht nicht. Er
bleibt, geht in den Prozeß. Er will ein Zeichen der
Freiheit setzen, ein Zeichen des Widerstands. Er hat keine Angst. Ihn
können sie nicht durch Drohungen kleinkriegen. Er
tut es, damit alle Welt sieht: Gottes Liebe zu den
Sündern, denen da unten, da ganz ganz unten - die braucht kein
Mensch zu bereuen. Gottes Liebe hört nicht auf, wenn
die Drohungen kommen. Gott opfert sich für die da
unten. Er sagt denen da oben den Kampf an. Jesus sagt: Das ist mein
Leib, mein Leben. Das gebe ich für euch. Da ist mein
Blut, meine Kraft, die setze ich für euch ein.
Nichts mehr steht zwischen Gott und euch kleinen
Würstchen, euch Sündern, euch da unten.
Gott schlägt sich auf eure Seite. Ein für alle Male.
Atmet auf. Er ist bei euch. Auch wenn ich gehe, ans Kreuz.
Und wenn wir Abendmahl feiern in Erinnerung an diesen wunderbaren Mann
Jesus, der so mutig und wunderbar unanständig
für die Liebe gelebt hat, dann sollen wir wissen,
der Leib Christi hat damit eine neue Form angenommen. Er ist nicht
groß und fett, denn wir sind nur wenige, die sich
engagieren gegen Armut, Hunger und Diktaturen. Aber dieser
neue Leib Christi hat viele Glieder, die einander beistehen
und mutmachen. Das ganze Afrikafest ist so ein Beispiel, wie
aus allen Ecken und Enden kleine und große Hilfen
kommen, um die Medizinische Station in Mandu Tawahun zu
errichten. So wächst Gottes Welt, in vielen kleinen und
winzigen Schritten der Kleinen und Kleinsten. Wächst
heran zu einem großen mächtigen Leib, der Segen
wirkt in der Welt. Zu diesem Leib gehören nicht nur
die klugen und gebildeten, die alten und betagten Glieder,
sondern auch die noch ganz ungeknickten und unbefangenen
Glieder. Zur Gemeinschaft des Leibes Christi gehören
nicht nur unter ferner liefen, sondern ganz besonders auch
die Kinder hinzu. Wir werden unseren Kindern das Leben
verdanken. Darum nehmen wir sie mit Freude hinein in den Gottesdienst,
in das große Gastmahl, in die Erinnerung an Jesus,
den Kinderfreund und Sünderfreund. Wir sagen: Jedes
Kind darf kommen zum Tisch Gottes. Und es wird uns guttun, wenn Kinder
nicht daherkommen mit Problemen der Transsubstantiationslehre
und Fragen des Wie der Präsenz Christi in den
Elementen, sondern einf ch und treffend von der
eßbaren Freundlichkeit Gottes sagen: Es hat gut
geschmeckt und jeder hat was abbekommen. Amen.