Friedenskirche
19. April 1987; Wichernhaus 20.4. 1987
Lieder:
81,1 - 3;
87,
1+5-7; 75;
84,1
- 3
Liebe
Gemeinde! Als ich vor zwei Tagen aus den Ferien wieder kam,
wußte
ich eigentlich gar nicht, was ich heute morgen sagen soll. Gut, ich
könnte die
Ostergeschichte wieder erzählen. Gut, ich könnte
sagen: Christus ist leibhaftig
auferstanden und den Jüngern begegnet. Aber ich habe ein
ungutes Gefühl dabei.
Was würde ich wohl als Antwort auf diesen Satz bekommen, wenn
ich ihn in der
Kneipe, unter Tage im Streb, auf Schering oder als Neuigkeit
für die Presse
sagen oder schreiben würde? Christus ist leibhaftig
auferstanden.
Na
prima!
Wie
schön für ihn!
Ja
ich weiß Punkt hat unser Pastor damals auch immer gesagt.
Na
und? Was soll's?
Also
das glaube ich nicht. Das gibt es nicht.
Was
für ein dummes Zeug. Die Kirche erzählt immer noch
Mist.
Keiner,
der anfänge, Hallelujah zu singen. Keiner, der Gott loben
würde
und in Jubel ausbricht. Die Osterbotschaft ist sattsam bekannt und die
einen
glauben sie, die anderen nicht. Den einen sage ich nichts Neues, den
anderen
erzähle ich ein Märchen.
Liebe
Gemeinde! Ich könnte auch sagen: Ostern heißt: der
Tod hat keine
Macht mehr über uns. Das würde ich lieber am
Sterbebett sagen oder da spürbar
werden lassen. Wir hier heute, was haben wir mit dem Tod zu tun,
außer unserem
eigenen Tod und unserer Todesangst?
Ich
möchte daher fragen: was ändert sich für
dein Leben, für mein Leben,
wenn Christus leibhaftig auferstanden ist und danach ab in den Himmel
auf zur
Rechten Gottes? Gibt dir das was? „Wär er nicht
erstanden, so wär die Welt
vergangen“, singen wir. Wirklich? Ist nicht die Auferstehung
Jesu vergangen,
ein liebes, vertrautes Stück Vergangenheit, aber
außer zu Museumszwecken völlig
uninteressant? Was nützt uns denn das Wissen: er ist
leibhaftig auferstanden?
Wer von uns kann denn das 50. Osterfest seines Lebens immer noch gleich
freudig
und fröhlich singen: Jesus lebt! Halleluja! ?
Ich
stand gestern im Garten, sah auf die Seerosen in meinem Teich und
dachte: gibt es nicht eigentlich viel Wichtigeres zu sagen? Ein Wort
über AIDS,
über Gen-Manipulation, über die Krise im Stahl und
Bergbau, über den flott
weiter laufenden Atommeiler in Hamm trotz aller atomaren
Unfälle, über
Volkszählung, Südafrika, über Chile oder die
BBG, über den Krieg der Sterne
oder das Konzil des Friedens, was alle Kirchen gemeinsam planen.
Wir
leben hier doch so nett und idyllisch. Es ist alles okay. Es gibt
keine Probleme. Ich habe keine Probleme. Es wird Frühling, na
endlich, da kann
man wieder raus und in den Garten und etwas Gesundes tun. Wieso
eigentlich noch
Ostern in die Kirche? Der Besucherrückgang in fast allen
Kirchen zu Ostern sagt
genug darüber, was Christen von Ostern halten. Eine ideale
Zeit für ein schönes
langes Wochenende, wenn nicht gar Mallorca oder Gran Canaria. Wer
dennnoch zur
Kirche geht, will etwas Schönes hören. Halleluja.
Christus
ist auferstanden. Das gehört wie das Ostereiersuchen zum
frommen Kulturprogramm eines traditionellen Festes. Es ist ein gern
gehörtes, gerne
geduldetes Wort. Man erwartet es Ostern. Würde ich jetzt
sagen: Christus ist nicht
leibhaftig auferstanden, so könnten wir uns streiten
über Visionen der Trauer,
über Vorlagen der Auferstehungsmythologie, über die
Auferstehung des Baal, über
kanaanäische Frühlingsfeste, über
Berufungsvisionen für einen Auftrag Gottes,
über die Art, wie Gott wirkt. Wir könnten die
Bedeutung dieser Visionen
klarstellen und deutlich sehen, wieso die Jünger so sehr auf
der Körperlichkeit
bestanden haben.
Liebe
Gemeinde, all das will ich heute nicht. Ich will heute über
uns
etwas sagen, nicht über Jesus. Auferstanden ist Jesus, weil er
ungerecht
gemordet wurde. Ohne den Kreuzestod Jesu keine Rede von seiner
Auferstehung.
Gekreuzigt - Strafe für Sklaven und Revolutionäre.
Gekreuzigt - 7 Stunden
hängen in Atemnot, dann qualvoll ersticken.
Wer
von uns hat jemals ähnliches für andere gelitten?
Für andere, um
Ihnen zu helfen. Wer von uns war jemals für andere im
Gefängnis? Für andere, um
Ihnen zu helfen. Wer von uns hat jemals wirklich gelitten für
andere? Nicht mit
anderen, sondern ganz allein, einsam und von Gott verlassen. Wer von
uns wäre
denn bereit, Gesetze zu brechen und etwas zu riskieren für
andere? Wer würde
denn - einfaches Beispiel, völlig harmlos - sich vor Mutlangen
in einer
Sitzblockade vor die Pershing II setzen, damit diese nicht aufgebaut
werden
können? Wer würde denn bereit sein, dafür
3000 D-Mark Strafe zu zahlen, die
dieser Staat und seine Rechtsprechung für das Sitzen vor einer
Massenvernichtungswaffe berechnen?
Nazi-Zeit,
wer von uns hätte denn für einen Juden oder einen
russischen
Kriegsgefangenen sein Leben riskiert?
Und
jetzt, liebe Gemeinde, sage ich das entscheidende Wort: Nur
wer das Kreuz Jesu wirklich auf sich
genommen hat, kann begreifen, wie Christus auferstanden ist.
Wer nicht für
andere leidet in seiner Liebe, der hat auch nichts von der
Osterbotschaft. Ich
glaube fast, uns friedlichen Leuten in Bergkamen kann es gar nicht
wirklich klar
werden, was es heißt, dem Tod zum Trotz zu leben. Amen.