Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus geht über den See! Sagenhaft. Eigenartig. Wir
wundern uns. Wir sagen:" Du bist wirklich ein Supermann! Abgefahren
gut, diese Demonstration deiner Fähigkeiten und
Macht. Du kannst ja alles! Du bist ein Zauberkünstler.
Ein Showmaster! Wunderbar, sowas! Tolle Sache." Ich kann da
nicht mithalten. Ich habe keinen so großen Sinn für
das Wunderbare solcher Auftritt, ebensowenig wie ich es gut
finde, wenn ein Bundestagskandidat vor der Presse ein Glas
Milch kurz nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl trinkt.
Solche Kunststücklein mögen einfache und
dumme Gemüter erfreuen. Mich nicht. Darum sage ich:"
Armer Jesus. Da wirst du in einer Geschichte übers Wasser
geschickt, ein Hampelmann der spätantiken
Wundergläubigkeit, ein Bombengeck für alle, die
ihrer Freude haben am Okkulten, am
Gläserrücken, am Reden mit Toten, an
spiritistischen Sitzungen. Das einfache Leben ist ihnen zu
langweilig, sie wollen Sensationen, wenns sein muß,
sogar mit Spielen auf Leben und Tod. Je trister die Realität,
umso phantastischer die Geschichten! Wie trist muß
es in der Zeit ausgesehen haben, wo du gelebt hast. Sogar
für ein Gespenst haben sie dich gehalten. Die in der Bibel
glauben also, daß es Gespenster gibt? Na sowas.
Dabei soll das doch Aberglaube sein, wie die Pastoren immer
sagen. Aberglaube in der Bibel? Das darf doch nicht wahr sein! Was
ist denn wahr? Daß ein Mensch übers Wasser
geht, ist nicht wahr. Das gibt es nur bei Wasserski. Jesus,
du hast doch nicht irgendwelche Tricks gehabt, um vor den Leuten
die Supershow abzuziehen? Du hast doch nicht Steine vorher
präpariert und im See ausgelegt, auf denen du liefst
und alles tatsächlich so aussah, als könntest du auf
der Wasseroberfläche laufen. Vielleicht war es ja
eine seichte Stelle im See. Und du hattest einfach nur den
Mut, trotz hohem Wellengang hinauszugehen in den See, dem Boot
mit den Freunden entgegen oder hinterher, bevor die dann mit
dir den See endgültig überquerten. Und sie
haben einfach nur deinen Mut bewundert, mit dem du durch die
hohen Wellen hindurchgekommen bist. Und dein Mut wird nach zwanzig Mal
Erzählen langsam aber sicher zur Fähigkeit,
über Wasser zu gehen. Das ist wahrlich Gottes Sohn, sagen sie,
wie zum Applaus nach deinem Kunststückchen. Du
kannst kein einfacher Mensch sein. Sie lassen dir nicht
dieses Recht. Sie machen dich auf, wie ein Filmstar
aufgemacht wird. Sie wissen, auf sensationelle Public
Relation kommt es an. Wenn die Story stimmt, läuft der
Verein. Nein, du darfst nicht einfach ein mutiger Mensch
sein, du mußt die dir verpaßte
Götterrolle spielen. In den Geschichten über dich
bist du verdammt, auf dem Wasser herumzuwandeln. Und Petrus
möchte auch mal und versinkt, weil er zuwenig
Vertrauen hat. Da ist also gleich die Warnung und
Absicherung: Wenn es bei dir, lieber Christ, nicht klappt,
mit dem Wandeln auf dem Wasser, wenn die Wogen deiner Wanne
über dir zusammenschlagen, dann hast du den
richtigen Glauben nicht. Was haben sie aus dir gemacht,
Jesus? Ein Wundermann. Natürlich, weil du auf dem Wasser
läufst, bist du der Sohn Gottes. Als ob Gott nichts
besseres zu tun hat als seinen Sohn übers Wasser
laufen zu lassen zur Verblüffung der Zuschauer.
Welche Posse spielen sie mit dir, Gott? Was für
trottelige Zaubertricks schieben sie dir in die Schuhe?" Liebe
Gemeinde! Ich finde, Schwimmen ist etwas phantastisches. Tut dem
Rücken gut, Training für den ganzen
Körper, härtet ab gegen Erkältungen, gleicht
aus auch innerlich. Schwimmen macht auch Spaß.
Nehmen wir einmal an, Jesus sei geschwommen. Und Schwimmen
wäre damals noch unüblich gewesen, weil die Leute vor
dem Wasser Angst gehabt haben, irrational genug waren sie ja
durchaus, wenn sie allen Ernstes behaupten, Jesus
wäre übers Wasser gelaufen. Jesus war also Schwimmer
und hatte keine Angst, unterzugehen, weil er wußte,
daß es klappt. Petrus versucht es auch, aber es klappt
nicht, weil Petrus Angst hat und vor Angst panisch um sich
schlägt, statt Schwimmbewegungen zu machen wie
Jesus. Wir kennen das: Nichtschwimmer haben im Wasser
höllische Angst und glauben, sie gehen unter. Die
richtigen Schwimmbewegungen können sie zwanzigmal an
Land machen, sie haben Angst, und deshalb klappt es im Wasser
auch noch lange nicht beim ersten Mal. Schwimmen lernen, und
das, liebe Freunde, sage ich euch nicht als Bademeister,
sondern als Pfarrer, Schwimmen lernen ist nicht so sehr die
Frage der richtigen Bewegungen, sondern die Frage des Mutes, sie auch
auszuführen, wenn es drauf ankommt. Schwimmen ist
die Überwindung der Angst, unterzugehen. Und das
genau ist auch der christliche Glaube. Amen.