Friedenskirche
17. 8. 1986
Lieder:
A23; B74; B97
1.
Rein - unrein. Samariter waren damals ungeliebte Volksgenossen. Sie
galten als unrein und es war eine Selbstbeschmutzung, wenn man mit
ihnen
körperlichen Kontakt hatte.
2.
Jesus und Paulus sprengen die enge jüdische Kontaktbegrenzung
und
Selbstüberschätzung als das Volk Gottes auf: So viel
Glaube haben sie in ganz
Israel nicht gefunden wie bei Samaritern oder der
Syrophönizierin. Die
Überwindung des Nationalismus ist auch bei Paulus zu finden,
der ja aus Tarsos
in Kleinasien stammt und in der Diaspora unter einem Reigen
nichtjüdischer
Kulte und Nationalitäten aufgewachsen ist: weder Jude noch
Grieche, sondern
alle eins in Christus, sagt Paulus.
3.
Denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägypten. Das ist die
Logik
des Gastrechtes. Die Logik des Gastrechtes ist, daß der
Fremdling besonderen
Schutz benötigt und im fremden Land alleine ohne Hilfe nicht
zurecht käme. Was
man sich selbst erhofft, wenn man irgendwo einmal als
Ausländer Hilfe braucht,
das sollte man auch denen zuteil werden lassen, die bei uns
Gäste sind. Und
dazu gehören auf jeden Fall, die, die aus ihrem Heimatland
geflogen sind, weil
sie dort verfolgt wurden, nicht einfach ihrem Schicksal zu
überlassen. Dieses
Asylrecht für politisch Verfolgte ist in unserem Grundgesetz
verankert. Wie
viele Deutsche mußten damals vor den SS-Kommandos der Nazis
nach Amerika
fliehen, um nicht in der Gaskammer zu landen. Wir – oder
damals diese
Flüchtlinge – waren auf amerikanische Hilfe
angewiesen. Wenn jetzt Flüchtlige
zu uns kommen, werden viele verachtet und diskriminiert.
4.
Ceylontourismus und Tamilenhass. Wie wenig bei uns die
Gastfreundschaft funktioniert, können wir sehr gut daran
erkennen wie wir als
Deutsche in Ceylon hofiert werden, aber die Tamilen, die zu uns
geflohen sind,
verachten und beschimpfen. Die Zeitungen berichten von einem Fall aus
Goslar,
wo wegen eines Butterbrotes 9 Tamilen ein Bußgeld bekommen
hatten. Sie hatten
ehrenamtlich beim Aufbau eines Pfadfinderheims vor den Toren Goslars
mitgeholfen und wurden wie alle anderen Helfer auch mit
Brötchen und
Erbsensuppe und Limonade verpflegt. Das Arbeitsamt Goslar sah darin
eine
Sachleistung, einen Arbeitslohn, und wertete die ehrenamtliche Hilfe
als
„entlohnte
Beschäftigungsverhältnis“. Da sie keine
Arbeitserlaubnis hatten,
bekamen sie zwei Bußgeldbescheide von je 80 DM pro Tamile,
der erste war für
das unerlaubte Verlassen des Stadtgebietes. So wird das freiwillige
Ehrenamt
der Flüchtlinge mit fadenscheinigen Argumenten bestraft.
5.
Vom struggle of life in einem der reichsten Länder der Welt,
oder: Wie
die Auslandspresse die arme BRD darstellen soll: so, wie sie wirklich
ist: ein
unbarmherziges Land. Und das liegt auch an einer unbarmherzigen
CDU-Politik. Es
ist kaum zu fassen, wie bösartig Arbeitsämter sein
können, natürlich auch
gegenüber deutschen Arbeitslosen, aber der
Bußgeldbescheid gegen diese 9
hilfsbereiten Tamilen ist die Krönung der Unbarmherzigkeit.
6.
Kirche als offenes System. Hier sollte eigentlich jeder willkommen
sein. Ich habe oft genug erlebt, wie Menschen mit etwas anderem
Äußeren vom
Küster aus großen Kirchen verwiesen wurden. Im Haus
Gottes duldet man keine
Penner oder Fixer oder solche mit kurzer Hose. Die Unduldsamkeit im
alltäglichen Kirchenleben hat ganze Generationen
fortgetrieben. Wir verlieren
die Jugend aus den Kirchen, weil unsere steife Gottesdienstform auch
eine Form
der Vertreibung der quirligen jungen Menschen ist. Das wird vielleicht
Spätfolgen haben, wir sägen an dem Ast, auf dem wir
sitzen, wenn wir unsere
Jugend vergraulen.
Vielleicht
gelingt es uns ja mit der Zeit, toleranter gegenüber Menschen
zu werden, die nicht typisches Gottesdienstbesucher-Outfit haben.
Vielleicht
gelingt uns etwas mehr Gastfreundschaft. Das wäre wunderbar.
Amen.