Marktplatz
Werne anläßlich der Heeresschau 20.6. 1986
Lieder:
nach dieser Erde; die Welt soll ohne Waffen sein; We shall
overcome
Liebe
Freunde!
Freund
und Feind. So unterscheidet die Bundeswehr die Menschen, auf die
zuschießen moralisch erlaubt ist und die, auf die man nicht
schießen darf.
Obwohl beide Uniformen tragen oder als Zivilisten: T-Shirts. Mir
würde z.b.
nicht einleuchten, was an einem russischen Soldaten so viel
Vernichtenswerteres
ist als an einem französischen oder, bleiben wir in Werne:
deutschen. Feind - der,
dem ich den Tod wünsche. Ein vernichtenswerter Mensch! Dieses
Wort ist uns
nicht geläufig. Wert und Vernichtung - das paßt
irgendwie nicht. Aber ist nicht
die Bundeswehr eine ungeheure Wert-Vernichtung? Nehmen wir an, die
Rüstungsmilliarden
kämen der Krebsforschung oder der Erforschung
ökologischer Energiequellen
zugute, würden in die Produktion von billigen Windkraftwerken,
Sonnenkollektoren, Erdwärme-Heizanlagen gesteckt; in Programme
zur
Jugendbetreuung, in Sozialhilfe Maßnahmen: welche sozialen
Möglichkeiten frißt
dieser Moloch Bundeswehr auf? Er vernichtet Werte. Soziale und
ökologische
Werte. Und er vernichtet moralische Werte. Die bloße Existenz
der Bundeswehr
ist schon völlig unbiblisch, völlig gegen die
Gewaltlosigkeit Jesu, völlig
gegen den Willen Gottes. Feindesliebe äußert sich
nicht im Drohen mit Gewalt,
was die tatsächliche Aufgabe unserer vorgeblichen
Verteidigungsarmee ist. Sie
ist effektiv eine Art Selbstmordgarde. Helmut Schmitz sagte
völlig richtig:
"Die BRD ist nur um den Preis ihres eigenen Untergangs
militärisch zu
verteidigen." Feindesliebe äußert sich im Ertragen
von Demütigungen, nicht
im Verteidigen. Schon die Verteidigung ist gegen die Feindesliebe. Du
sollst
dem Bösen nicht widerstehen (Matthäus 5, 39). Betet
für die, so euch verfolgen
(Matthäus 5,45).
Feindesliebe
setzt voraus, daß man Feinde hat. Wer ist mein Feind? Feind
ist der, dem ich den Tod wünsche, von dem ich denke, er ist
nicht nur völlig
überflüssig auf dieser Welt - so wie du und ich -
sondern er ist eher schädlich
für das Leben hier. Ein Schädling meines Lebens.
Schädlingsbekämpfung unter
Menschen. Küchenschaben und Kellerasseln werden den Atomtod
des Erdenschädlings
Mensch überleben. Hoffentlich.
Hoffentlich
nicht. Hoffentlich kein Atomkrieg. Feind ist der, für dessen
Tod ich Geld springen lasse. Nicht die Niedrigpreise der Mafia
für einen Mord
auf Zahlkarte. Sondern Unsummen Geld der Steuerzahler für
einen
selbstmörderischen Krieg. Denn welchen Wert hätte
unser Leben, wenn die Russen
erst hier wären. Endlich: der Feind. Unser Feind. Das
entscheidende Etwas,
wofür wir alle das viele Geld in die Panzer, Tornados und
Hubschrauber
investieren. Rausgeschmissenes Geld, wenn es keinen Krieg gibt.
blutiges Killergeld,
wenn man es zum Krieg kommen läßt. Der Feind ist der
Freund der Bundeswehr.
Wenn er nicht wäre, wohin mit all den arbeitslosen Soldaten?
Wohin mit dem
Kommando-gewohnten Offizieren? Hauptmann als Vorarbeiter, als Steiger?
Nein
danke. Ohne die Russen wären die Offiziere arbeitslos. Kaum
auszudenken, diese
Katastrophe. Und so ist dann der Feind im Osten doch noch zum besten
Freund der
Bundeswehr geworden, zum einzigen Existenzgrund und Legitimationsgrund.
Die
Bundeswehr ist regelrecht abhängig von unserem freundlichen
Feind im Osten.
Freundlich deshalb, weil Freund derjenige ist, dessen Leben
für mich so
wertvoll ist, daß ich es mir wünschte, er soll leben.
Ist
das nicht eine merkwürdige Dialektik, wie der Feind zum Freund
wird?
Wie unbemerkt in der Verhärtung der staatlichen Strukturen
sich die Marionetten
der Armeen immer ähnlicher werden und alle darin einig sind:
mehr Geld für
Rüstung, weniger für Soziales. Die Militärs
aller Länder, die Rüstungskonzerne
und Verteidigungsministerium, kurz: die ganze Vernichtungsbranche
unserer
Gesellschaft und freien Marktwirtschaft - sie sind zu Kollegen, zu
Kumpeln an
der Waffe geworden. Computerfachleute, die Raketen programmieren: die
Bundeswehr ist ein Industriezweig wie jeder andere. Nein! Wie kein
anderer! Die
anderen Branchen vertreiben Geräte, mit denen man etwas
Praktisches anfangen
kann. Sobald man mit den Geräten der Bundeswehr etwas
Praktisches anfängt,
sterben Menschen. Pro Herbstmanöver ca 12 Tote. Die
alljährlichen Menschenopfer
der Verteidigungsbereitschaft fürs Vaterland. Schon im Frieden
frißt die
Bundeswehr Leben von Menschen, zwar nicht viel, aber trotzdem ist jeder
tote Soldat
einer zuviel.
Liebe
Freunde, wir haben die eigenartige Situation, daß die
Militärs,
die doch im Ernstfall einander töten sollen, stellvertretend
für die hilflosen
Zivilisten, fürs Vaterland welches sie verteidigen,
daß diese Militärs als
Berufskollegen Freunde geworden sind: Freunde, die einander brauchen,
um leben
zu können. Wenn der deutsche Soldat arbeitslos würde,
würde nicht auch der in
der DDR um seinen Arbeitsplatz fürchten? Also: die zu Feinden
gesellschaftlich
abgestellten, abgerichteten und zugerichteten Soldaten der
Länder sind Freunde
geworden. Zwischen ihnen herrscht die Symbiose der gegenseitigen
Legitimation
ihrer eigenen Expansionsinteressen. Nur die SS 20 hat uns die Chance
der Cruise
Mißiles gebracht. Rheinmetall, Krauss-Maffei, Heckler
& Koch, die ganzen
Rüstungsarbeiter! Der Feind hilft, Arbeitsplätze in
der Rüstungsindustrie zu
sichern. Schade nur, daß man mit den Steuergeldern
für einen Arbeitsplatz in
der Bundeswehr drei Arbeitsplätze im Sozialsektor oder zwei in
der friedlichen
Industrieproduktion sichern könnte!
Wenn
also schon die Militärs verschwistert und
verschwägert sind durch
die vielen Ehen zwischen Doppelagenten von hüben und
drüben, wo ist er denn
dann, der Feind?
Liebe
Freunde, wir sind der Feind! Wir, die wir den Atombomben den Rost
auf den Schrotthalden wünschen, neu eingeschmolzen zu
Flugzeugen für Ferienflüge.
Wir sind die wahren Feinde der militärischen Branchen,
hüben und drüben. Wir,
die sagen: stecke dein Schwert in die Scheide, denn wer das Schwert
nimmt, wird
auch durchs Schwert umkommen. Wir, die sagen: Christus ist unser
Friede, nicht
die Drohmacht der Bundeswehr. Wir sind die Feinde der Bundeswehr, weil
wir ihr
den Tod wünschen. Wir wünschen ihr die Vernichtung,
auf den Schrottplatz, nicht
auf dem Schlachtfeld wohlgemerkt. Uns ist diese Vernichtung der
Bundeswehr auch
einiges wert. Dafür sind wir hier und beten und engagieren
uns. Die Bundeswehr
erscheint uns vernichtenswert. So wie jedes andere Militär und
jedes
Todeskommando.
Bevor
man seine Feinde lieben kann, muß man erstmal welche haben.
Ohne Feind
keine Feindesliebe. Die Militärs haben es da schwerer als wir.
Sie sind ja
freundlich geworden durch die Arbeit im Vernichtungssektor. Sie sind
sozusagen
Geschäftsfreunde. Wir haben es leicht. Unser Feind ist das
Militär. Nicht die
Soldaten, die Offiziere, die Menschen. Nein die sind unsere
Brüder, wenn schon
nicht Schwestern. Zwar irrige Brüder, wie man an ihrer
Mißachtung der
Bergpredigt sieht. Aber Brüder. Unser Feind sind nicht die
Menschen in der
Bundeswehr, sondern die Struktur, ihre ewig gleiche Legitimation durch
das
Beschwören der Angriffslust des Feindes aus dem Osten, diese
Ideologie der
Verteidigung. Das ist der wahre Feind. Dieser böse Geist des
Mißtrauens gegen
die Russen, nicht gegen die Amerikaner. Und dieser Geist ist nicht nur
in den
Köpfen der Offiziere, sondern bei so vielen im Land. Nicht
einfach
Antikommunismus, nein, es ist so etwas wie eine Urangst, bedroht zu
werden.
Sich zu versichern, vorbeugend schützen zu müssen.
Für den nächsten Tag zu
sorgen, nicht wie die Lilien auf dem Felde. Und diese neurotische
Urangst sucht
sich die verschiedensten Objekte, an denen sie sich austoben kann mit
politischen
Wahnvorstellungen. Ob es Juden waren oder Türken, die uns
Arbeitsplätze rauben,
ob es Frankreich war oder Russland, immer dieselbe Idee, verfolgt zu
werden,
sich wehren zu müssen. Noch einmal sage ich: der
wahre Feind ist die Urangst vor Bedrohung von außen.
Die Angst
ist die Wurzel der Abschreckungsposen, Wurzel der Eskalation. Sie wird
durch
manche Medien noch geschürt. Deshalb sagt der erste
Johannesbrief: „Gott ist Liebe.
In der Liebe gibt es keine Furcht.“ In der christlichen
Hoffnung auf Frieden
ist die Liebe zum Feind darin erreicht, daß ich begreife:
auch er will nur
leben und leben lassen. Der christliche Glaube vertraut dem Freund. Er
traut
ihm zu, mich nicht vernichten zu wollen.
Weil
der wahre Feind unsere eigene Angst, unser eigenes Mißtrauen
ist,
deshalb kann ein Christ, kann jeder, der diesen Mechanismus
durchschaut, den
Feind im Osten oder Westen auch wirklich lieben. Gemessen am Teufel in
uns
selbst ist der Teufel in den Russen gar nicht mehr relevant. Unser
Problem ist,
mit unserer teuflischen Urangst vor der Vernichtung fertig werden zu
sollen.
Die Antwort des christlichen Glaubens auf diese Angst lautet:
„Gott läßt seine
Sonne scheinen auf böse wie auf gute Menschen.“ Wir
alle dürfen Leben. Gott hat
uns und den Russen ein Recht auf Leben gegeben. Der
Russe ist genauso
vor und für Gott lebenswert, wie er für die
Bundeswehr als Feind
vernichtenswert ist. Gott will leben, nicht Mord und Totschlag. Und das
heißt:
für Gott gibt es keine Feinde mehr. Kein Mensch ist Gottes
Feind. Auch kein
Tier übrigens. Auch die bösen Menschen sind von
Gottes Sonne erwärmt. Sie mögen
böse sein und vielleicht auch bleiben - Gott will,
daß auch sie leben.
Und darum ist schon die
Drohung, das Leben des Bösen aufs Spiel zu setzen,
angeblich für den Frieden, - Friedenssicherung nennen sie es -
schon die
Drohung, schon die Militärübung ist gegen den
Lebenswillen Gottes gerichtet.
Unser Feind, der Feind der
Christen und der Feind Christi ist das Militär.
Insgesamt, besonders aber vor unserer Nase. Wir können diesen
Feind deshalb
lieben, weil wir annehmen und hoffen, daß kein Soldat
wirklich Krieg will. Aber
wir haben erkannt, daß er es mit den falschen Mitteln
verhindert. Unseren
Feind, die Bundeswehr, lieben, das könnte für uns
heißen: wissen, daß Gott
jeden Soldat liebt. Bitte, jeden! Verstehen, daß auch
Soldaten Frieden wollen,
wirklich Frieden. Nur der Weg ist falsch. Begreifen, wie sehr die
Verteidigungsapostel
von Urangst geplagt sind und ihnen das Gottvertrauen erklären,
mit dem wir dem
Feind im Osten auch Gutes zutrauen: leben und leben lassen. Gottes
Sonne über
allen. Und dann, mit den Soldaten aller Länder, im Wissen um
ihre
Arbeitsplatzsorgen und Unerfahrenheit mit den Methoden gewaltfreie
Aktionen,
mit den Verteidigungsaposteln und Militaristen gemeinsam schrittweise
die
Zweckmäßigkeit der Abschaffung aller
Kriegsgeräte erproben.
Abrüstung gibt es
nur mit der mithilfe der Generäle. Die Vernichtung der
Bundeswehr wird es nur mit den Soldaten gemeinsam geben. Nicht gegen
sie. Das
ist der innere Grund, weshalb wir auf die Liebe zu diesem Feind
angewiesen
sind, um die von ihm ausgehende reale Bedrohung loszuwerden.
Liebe Freunde, stellt euch
vor, wir hätten genug mit den Soldaten über
Gottes Liebe gesprochen. Und es käme ein Krieg. Und die
Bundeswehr würde in
Generalstreik treten. Und die Russen wüßten vor
Erstaunen nicht mehr, was sie
tun sollten. Und würden kopfschüttelnd über
soviel Disziplinlosigkeit sagen: So
ein aufmüpfiges Volk wollen wir lieber nicht auch noch neben
Afghanistan am
Hintern haben. Was dann? Amen.