1) Wahrheitsgehalt dieses Mythos:
keiner ist frei von Anfechtung.
2) Die Methode des Teufels: mit der Bibel argumentieren.
3) Die Methode Gottes: sich dem Bösen ausliefern.
Liebe Gemeinde!
Ganz sicher ist diese Geschichte kein Tatsachenbericht. Ganz sicher war
da kein Wesen namens Teufel, der als eine Art Mensch mit Horn und
Pferdefuß Jesus ärgern will. Und wer sollte dieses
Erlebnis denn auch gesehen und aufgezeichnet haben, wenn doch Jesus
allein war 40 Tage und Nächte? Es gab keine Augenzeugen
außer Jesus selbst. Und der Teufel wird es wohl kaum dem
Evangelisten erzählt haben, wie er eine Schlappe erlitten hat
bei den Menschen Jesus.
Diese Erzählung ist erfunden, um damit etwas zu sagen, was
eine Erzählung eben besser ausdrücken kann als eine
psychologische Abhandlung über das Seelenleben Jesu.
Drei Mal wird Jesus von dem Diabolos, dem "Durcheinanderwerfer", dem
Verwirrer, versucht. Dreimal hält er stand. Und jede Probe
wird schwieriger, weil es um mehr und immer mehr geht. Zuerst nur um
die Stillung des Hungers, dann um Wunderkräfte des
Göttlichen Schutzes, schließlich um die
Weltherrschaft. Darin spiegelt sich die Reihe der Versuchungen der
Kirche wieder: Erst ging es nur ums materielle Überleben, dann
schon um das Ausreizen des Trumpfes "Gott schützt uns ja",
endlich die Weltherrschaft, die christliche Missionare immer auf dem
Fuß der grausamsten Eroberer folgen ließ, bisweilen
sogar vorauseilen ließ.
Dreimal ein anderer Ort: zuerst die Wüste, das öde
Land. Der Prophet Elia fastete auch lange Zeit in der Wüste
auf dem Weg zu einem Berg. 40 Tage und Nächte, dann erlebte er
Gott auf dem Berg Horeb, dem Sinai, genau wie Mose vor ihm, in einem
Vulkanausbruch. 40 ist die Zahl der Gottesnähe. 40 Jahre
wanderte Israel mit Mose durch die Wüste, in allen Gefahren
beschützt von Gott. Wenn Jesus 40 Tage in die Wüste
geht, so ist das ein Ausdruck dafür: er sucht die
Nähe Gottes. Nach Matthäus hatte er aber diese
Nähe gerade vorher bei seiner Taufe erfahren: die Stimme aus
dem Himmel sagte: "Dies ist mein lieber Sohn, an dem habe ich
Wohlgefallen.“ Auffällig ist, dass der Geist Jesus
nach der Taufe in die Wüste treibt. Der Geist Gottes treibt
Jesus dahin, wo er mit dem Bösen konfrontiert wird!
Das griechische Wort a)ne/xqh,
er wurde getrieben, entrückt, steht
regelmäßig, wo von Visionen die Rede ist:
Offenbarung 17,3; Ezechiel 8;37-47; 1. Könige 18; 2.
Könige 6 und Apostelgeschichte 8. Das heißt: die
Erzählung von Jesu Versuchung ist gar nicht als
Protokollbericht gemeint, sondern erzählt eine Vision Jesu.
Wüste: Israels Auszug aus ägyptischer Sklaverei in
eine neue Freiheit klingt hier an. Die Entbehrungen, die mit dem
Erlangen der Freiheit verbunden sind, der Hunger. Und wie Israel
zurück will zu den Fleischtöpfen der Sklaverei, so
gelüstet auch Jesus nach Essen. Man hat übrigens beim
Fasten (jetzt ist Fastenzeit) am Anfang Hunger, die ersten drei Tage
lang, den Rest der sechs Wochen, die ein Mensch wirklich fasten kann
ohne zu verhungern, hält man viel leichter durch. Das Jesus
erst nach 40 Tagen Hunger hat, ist Zeichen dafür, das
Matthäus sicher nie gefastet hat, sonst hätte er
diesen sachlichen Fehler nicht gemacht.
Mit dem Hunger meldet sich das Böse: warum nicht die Macht als
Gottessohn nutzen, um satt zu werden, materiell sicher zu leben? Warum
nicht die Möglichkeit als Besserverdiener nutzen, um reich zu
werden? Für Jesus ist das teuflisch, so zu denken. Darum
kontert er auf die teuflische Stimme, die tief aus seinem Innersten
kommt, mit dem Wissen, das Leben mehr ist als nur fressen. Armen.