Friedenskirche
Bergkamen Bußtag 21.11. 84
Lieder:
118, 1-4; 390, 1-9 mit Matthäus 11 im Wechsel; 108, 1, 3, 5,
7;
159, 1-3
Liebe
Gemeinde!
Buße
heißt im griechischen metano/hsij,
wenn man es wortwörtlich übersetzt:
um-denken. Bußtag liegt zwischen Volkstrauertag und
Ewigkeitssonntag. Zwischen
dem Gedenken der Kriegsopfer und dem Denken an unseren eigenen Tod,
also die
eigene Zukunft und die Zukunft Gottes. Allein diese Abfolge der
kirchlichen
Feste, wenn man so will: der Spielregel des Kirchenjahres, macht
deutlich:
zwischen dem erschütterten Blick in die schreckliche
Vergangenheit der
Menschenschlachthäuser von 1944 und dem Blick auf Gottes
Zukunft muß ein Um-Denken
stattfinden. Wer zur Ewigkeit Gottes vordringen will, muß weg
von den grausigen
Spielregeln des ordnungsgemäßen, wohl organisierten
Judenvergasens, der Politik
der verbrannten Erde, Giftgas und Atombombenerfindens. Wir
müssen neu denken
lernen, neu spielen lernen. Denn unsere Spiele, so harmlos sie auch
aussehen,
haben schreckliche Auswirkungen:
Das
Spiel des freien Marktes macht die kleinen Betriebe kaputt, im
Weltmaßstab die kleinen Länder. Ausbeutung und
ungleicher Tausch, der nach
unseren Spielregeln erlaubt ist, machten die armen Länder
ärmer und ärmer. Die
internationale Leibeigenschaft unter den Fittichen der
Supermärkte war das
traurige Ergebnis. Eine neue Weltwirtschaftsordnung als Buße
bedeutet: weg vom
Spiel "der Stärkere gewinnt", weil er die Preise bestimmen
kann. Das
neue Spiel heißt: gleicher
Tausch. Der kleine Bauer in Tansania soll soviel
für
seine Hirse bekommen, daß er davon leben kann und auch im
nächsten Jahr Hirse
anbauen kann. Er soll soviel bekommen, wie seine Ernte wert ist, nicht
so
wenig, wie gewitzte Spitzeneinkäufer multinationaler Konzerne
ihm bieten.
Unsere Wirtschaft läßt die Starken reicher werden.
Gottes Wirtschaft handelt
genau umgekehrt: "Wer unter euch groß sein will, der sei euer
aller
Diener." Wenn wir so weitermachen mit dem Spiel "wer hat, der
hat", dann werden wir die Folgen unseres Spiels kaum noch bereinigen
können. Die Rationalisierung der Großbetriebe ist
Grund für die wachsende
Arbeitslosigkeit im Land. Gottes Spiel heißt: die Schwachen
und Bedürftigen
brauchen Hilfe, nicht die Gesunden. Die Friedenskirche experimentiert,
wie Sie
wissen, liebe Gemeinde, ein neues Spiel. Unser Dritte-Welt-Laden
garantiert den
Erzeugern von Honig, Kaffee, Tee, Gewürzen, Körben,
Spielzeug und Getreide
einen fairen Preis. Sie bekommen endlich so viel, daß sie
sich eine eigene
Sozialversicherung, Rentenversicherung und Krankenversicherung aufbauen
können,
daß sie Zukunft haben und leben können. Ich bitte
Sie, sagen sie das weiter und
besuchen Sie unseren Dritte-Welt-Laden. Wir machen die Preise nicht
für die gut
gestellten Verbraucher in Bergkamen, die den Pfennig zweimal im Aldi
umdrehen,
sondern für die Arbeiter in indischen Slums, für die
bolivianischen Frauen, die
so wunderschöne Pullover stricken. Ich schlage Ihnen vor,
daß wir alle nach dem
Gottesdienst einmal runter gehen in das Kellergeschoss zum
Dritte-Welt-Laden
und ihn einfach einmal angucken. Laßt uns den Versuch wagen,
umzudenken, ein
neues Spiel zu spielen, ein Spiel nach Gottes Regeln: ein Spiel
für die
Schwachen. Ein Spiel für die Armen. Dieses Spiel
heißt Barmherzigkeit. Amen.