Friedenskirche
29.4. 1984
Lieder:
197, 1,5 - 7; 198, 1,5 + 6; 152, 1, 4, 5; 140, 1
Warum
hat Gott Auschwitz zugelassen? Warum griff Gott nicht ein, als 6
Millionen Juden in die Gaskammern zogen, mit Gebeten und Liedern
tiefster Not
auf den Lippen? Wo bleibt Gott? Warum läßt Gott
Kriege zu? Warum läßt Gott zu, daß
Christen, angebliche Christen, Atomwaffen einführen und in
Hiroshima schon
ausprobiert haben. Und beim Bikini-Atoll in der Südpazifik
Region monatlich neu
ausprobieren, obwohl die Hälfte der Insulaner schon von Krebs
befallen ist?
So
fragten schon damals Leute, nur mit anderen Orten und Geschichten:
warum hat Gott zugelassen, daß uns die Babylonier besiegt
haben, daß Jerusalem
mit dem Tempel Gottes zerstört wurde, daß die
Frommen alle verschleppt wurden
ins Exil nach Babylon? Warum dauert das Exil jetzt schon über
50 Jahre und es
passiert gar nichts? Wo bleibt Gott? Wo bleibt seine Hilfe? Hat es noch
Sinn,
von Gott zu reden, auf Gott zu hoffen, wenn er doch nicht zu sehen, zu
spüren,
zu erfahren ist? Ist nicht die Rede von Gott, der gerecht ist, obsolet
geworden, wenn er das alles zuläßt? Ist der Gott,
der die Welt geschaffen hat,
nicht nur ein Trugbild, wenn man erlebt, daß er in dieser
Welt gar nichts tut,
um sie in Ordnung zu halten? Ist Gott müde und matt, ist er
gar faul, daß er
nicht eingreift und die Welt ihrem Schicksal einfach so
überläßt? Oder sieht er
nicht, was da los ist auf der Erde, hört Gott nicht die
Schreie der Kriegsopfer,
der hungrigen Kinder, von denen jeden Tag 40000 sterben? Ist Gott in
Rente
gegangen? Will Gott mit diesem ganzen Zeug über Kriege und
Hunger nicht mehr
belästigt werden? Hat Gott die Nase voll von dieser ewigen
Politik auf der
Kanzel? Sehnt sich Gott nach Verehrung, ohne daß wir diese
peinlichen Themen
Krieg, Hunger, Arbeitslosigkeit, Umwelt tot hier anschneiden sollen?
Gott
ist ewig sagt Jesaja II.
Also will er mit unseren zeitlichen Problemen nicht ständig
belästigt werden.
Gott
ist unerforschlich sagt sie
sei ja II also sollen wir gar nicht erst fragen, warum er schweigt zum
Unrecht.
Gott
gibt denen Kraft, die auf ihn harren,
sagt Jesaja II. Also sollen wir nicht mehr klagen und zweifeln, sondern
uns
gedulden und warten auf Kraft von oben. Warten.
So
könnte man antworten auf unsere Frage nach Gott. Aber so
billig
lassen wir uns nicht abspeisen! Wir halten dagegen:
Ewig:
Gottes Geschichte ist noch nicht zu
Ende! Sie hat, wir haben Zukunft!
Unerforschlich:
Unsere Theorien über Gottes
Allmacht bleiben unsere Theorien. Gott ist anders als wir ihn gerne
fantasieren.
Gottes Kraft wächst paradox im Ohnmächtigen und
Schwachen, im Zweifel, in der
Frage nach Gottes Gerechtigkeit. Vielleicht brauchen wir, die Starken,
Gottes
Kraft ja auch nicht. Vielleicht ist uns Gott auch egal und fern, weil
wir so
stark sind!
Harren:
Gott verklagen auf sein Recht! Hiob
klagt gegen Gott, der ihn aus der Bierlaune einer Wette mit dem Teufel
im
Himmel heraus testweise in jedes nur denkbare Unglück
hineinstürzt in einer
sadistischen Manier, die Stalin gut gefallen hätte. Und die
Klage Hiobs hat
Erfolg. Gott läßt ab von seinem makabren Spiel mit
der Glaubensstärke dieses
Mannes. Jesus – wieder so ein Mann, den Gott quält
mit der Absicht, durch seine
Qual die Menschheit zu erlösen von der völligen
Vernichtung, der sie durch all
ihre Taten vor seinem Richterstuhl schuldig sind. Harren
heißt, Gott behaften
auf der Gültigkeit seiner Zusagen. Gott ist ziemlich im Verzug
damit. Deshalb
gibt es viel an ihm zu meckern, zu klagen, zu schimpfen und zu
protestieren,
wenn er denn tatsächlich der Schicksalsmacher wäre.
Ich
glaube schon lange nicht mehr an so einen sadistischen Gott. Unser
Schicksal macht nicht Gott in irgendeiner Prädestination oder
spontan da oben
im Himmel, sondern wir selbst und eine Unsumme von seltsamen
Zufällen. Gott
spielt mit uns nicht Katz und Maus, sondern ist in den Mäusen
zu Hause, in den
Opfern dieser Schicksalsschläge und Prankenhiebe der Katzen
dieser Welt.
Gottes
Kraft ist nur in den Schwachen zu finden. Und sonst gar nicht. Er
ist der Ohnmächtige. Und nur so kann er trösten und
auf der Seite der Schwachen
und Opfer der Geschichte sein. Das ist das ganze Geheimnis
über Gott, dieses
Paradox, daß seine Herrlichkeit verborgen ist in der
leidenden Welt. Und unsere
zarte Hoffnung ist, daß diese seufzende Kreatur eines Tages
aufgrund ihrer
Schmerzen und Traurigkeit so viel Mut gefaßt und so viel
Kraft und Phantasie
aufgebracht hat, daß sie die Welt umrüsten kann zur
Heimat. Amen.