Erster
Advent 27. 11. 1983 Friedenskirche
Die
Palme kann sterben, sie hat ihre Aufgabe erfüllt, die drei
Verhungernden in der Wüste satt zu machen. Die Palme kann
sterben, denn sie ist
zu ihrer Bestimmung gelangt. Sie ist gepflanzt als Zeichen der Hoffnung
auf den
Messias-König, der der Welt Heil und Frieden bringen soll. Sie
ist Zeichen der
Hoffnung gewesen als Baum mitten in der Wüste, Leben mitten in
dem härtesten
Überlebenskampf. Sie kann sterben, weil es jetzt ein besseres
Zeichen der
Hoffnung gibt.
Die
alte Schöpfung mit Adam und Eva und dem über allem
thronenden Gott,
der tatenlos allmächtig den Untergang der eben doch nicht so
gut geschaffenen
Welt mit ansieht, diese Geschichte von Macht und
Machtmißbrauch kann sterben, weil
es eine bessere Verkörperung des Lebens- und Liebeswillens
Gottes gibt. Der
alte Trost mit dem Weltenlenker, der alles so herrlich regieret, bis
wir es in
Schutt und Asche regiert haben, kann sterben. Der neue Trost ist eine
stärkere
Hoffnung geworden.
Der
neue Trost ist die Ohnmacht Gottes. Diese Ohnmacht Gottes, die
unsere Welt noch retten kann, ist erschienen in einem Kind, geboren in
einem
Futtertrog in einem verlausten Schafstall in Bethlehem. Die rettende
Ohnmacht
Gottes ist unter den Ärmsten der Armen damals geboren worden,
als schwaches
Kind, zu schwach, um später dann allein vom Kreuz herab zu
steigen. Die weisen
Leute haben gehofft und gewartet, bis sie erkannten: in diesem Menschen
Jesus,
der die Mächtigen nicht mochte und den Mühseligen und
Beladenen Freund und
Bruder war, ist der Geist Gottes. In diesem dummen Jungen, der sich
fanatisch
und einseitig verrannt hatte in die Behauptung, die Liebe Gottes sei
den Opfern
unserer Gesellschaft näher als den Priestern, die die Opfer
abschlachten zur
Ehre des thronenden Gottes. In diesem ständigen Erreger
öffentlichen
Ärgernisses ist mehr von Gott und seiner Liebe zu finden als
in allem
kirchlichen Lob und Betreiben von Macht.
Der
Schwächling Jesus, der die andere Backe hinhält, der
sich geschlagen
gibt schon vor dem Streit, der der Gewalt nur da nicht aus dem Wege
geht, wo
sie ihn selbst trifft, dieser Schwächling Jesus ist das neue
Zeichen der
Hoffnung geworden in einer Welt, in der die Betonung der Macht Gottes
nur die
Menschen gereizt hat, Gott gleich zu werden in der Selbst-Herrlichkeit
von
Weltbeherrschung.
Die
Selbstbeherrschung Jesu, der sich nicht vom Glanz der Macht
verführen läßt, der sich nicht verleiten
läßt, zurückzuschlagen und zurück
zu
drohen, dem die Zukunft der anderen, ja der ganzen Welt wichtiger war
als sein
eigenes erbärmliches Leben, dieser Macht der
Ohnmächtigen, die Fürsorge und
Solidarität der Machtlosen für-und untereinander, das
ist unsere neue und
bessere und auch letzte Hoffnung geworden gegenüber den
Supermächten dieser Welt,
die uns nur als Spielball ihrer Spiele des atomaren Schreckens und
Kriegsspielens benutzen.
Simon,
der Weise, hat, genau wie die Palme in der Wüste, gewartet auf
den neuen Trost Israels, auf den Mann, der einen Frieden bringen wird,
der
dauerhafter sein wird als alle Gewalt. Simon, so erzählt der
Evangelist Lukas,
hat nach der Beschneidung Jesu folgendes Lied vom Wechsel der Zeichen
Gottes
gesungen: Lukas 2,29-35