Gehalten
in Bochum Christuskirche,
Friedenskirche und Pauluskirche am 18. und 25. 7. 1982
Lieder 486, 1 - 3; 62,1 - 4;
147, 17 148, 1 + 2
Philippos
bekehrt den jüdischen
Schatzmeister der äthiopischen Königin
1. Sozialgeschichtlicher
Hintergrund
2. Der Geist, Prophetie
3. Jesaja 53
4. Ausländer - Taufe
als Versöhnung
5. Entrückung -
Erfüllung der Mission
Vers 26: Der
Apostel Philippos bekommt eine Engel-Erscheinung. Der
Engel spricht zu ihm und gibt ihm Anweisungen. Dies ist typisch
für den
Urchristlichen Prophetismus. So lesen wir bei Lukas 1,11: Es erschien
ihm (dem
kinderlosen Priester Zacharias) aber der Engel des HERRN und stand zur
rechten
Hand am Räucheraltar. Er prophezeit im die Geburt seines
Sohnes. Lukas 1,28ff kommt
ein Engel zu Maria, er prophezeit ihr die Geburt Jesu. Lukas 2,9: Ehre
sei Gott
in der Höhe, singen die Engel bei Jesu Geburt.
Ähnlich bei Matthäus 2, 13 und
22: Ein Engel sagt dort zu Maria und Joseph: flieht nach
Ägypten. Es sind oft
Visionen im Spiel bei den Menschen der Spätantike. Die
Engel-Erscheinung des
Philippos läßt ihn auf die Straße von
Jerusalem hinab nach Gaza gehen.
Vers 27f: Dort trifft er auf
einen reichen Äthiopier, ein Eunuch und
Hofbeamter am Hof der ägyptischen Königs Mutter, der
Kandake. Er war
Schatzmeister im nubischen Hofstaat. In Äthiopien gab es das
Matriarchat, also
die Macht lag in den Händen der Frauen. Es gab einen starken
Handel mit einer
jüdischen Kolonie und Garnisionsstadt in
Südägypten, genannt Elephantine am
Nil. Von da aus drang durch Handelsbeziehungen das Judentum bis nach
Äthiopien
vor. Der Mann ist ein Eunuch, also ursprünglich kein
rassereiner Jude, somit
ist er ein Proselyt, ein Dazugekommener, der aus irgendeinem Grund sich
dem
jüdischen Leben angeschlossen hat. Er pilgert nach Jerusalem,
wie heute die Sannyasins
zum Bhagwan nach Poona in Indien reisen. Auf dem Rückweg liest
er auf seinem
Wagen in einer Rolle des Propheten Jesaja, wahrscheinlich in Jerusalem
neu
gekauft. Er kann es sich leisten, das teure Buch.
Vers 29 ff: Der Geist,
diesmal nicht der Engel, treibt den Philippus. Er ist
getrieben von einer Eingebung. Der Geist besteht aus Impulsen, die aus
dem
Unbewussten in das Bewusstsein der Propheten oder Apostel gelangen. Er
kann
sich ausdrücken in Zungenrede, also wirren Silbenfetzen, die
ein anderer dann
zu irgendeinem Sinn zurecht bastelt. Es kann aber auch rationale
Impulse
umfassen. Visionen sind für die Altvorderen Ausdruck des
heiligen Geistes. Der
Geist also sagt zu Philippus: halte dich an den da. Philippos kommt mit
ihm ins
Gespräch. Er erkennt Jesaja 53, das Lied vom leidenden
Gottesknecht, in dem
Propheten Buch des Äthiopiers. Bei uns wie damals für
den Juden war nicht
eindeutig klar was damit gemeint ist. Es gab offene Fragen aus der
Lektüre von
Jesaja Punkt der Prophet, Israel, die Figur eines Königs, der
priesterlich für
die Sünden seines Volkes bezahlt? Wer genau ist nun dieser
Leidende
Gottesknecht?
Vers 35: Philippos deutet
Jesaja 53 mit dem leidenden Gottesknecht auf
Jesus: Jesus trägt stellvertretend das Leiden der Vielen, die
Krankheiten und
Sünden. Der Erniedrigte wird erhöht. Es ist eine
falsche Lesart von Jesaja
53,8, der Sinn wird praktisch ins Gegenteil verkehrt: „Aus
Drangsal war er
hinweggenommen“, das heißt also, er starb in Not
und im Gerichtsverfahren,
hieraus wird: in seiner Erniedrigung wird sein Gericht aufgehoben und
ungültig
gemacht. Die Not der Drangsal wird umgedeutet als das Ende des Gerichts
- damit
wird also das glatte Gegenteil gesagt! Man hat es nicht ertragen, dass
der leidende
Knecht Gottes als Schuldopfer stirbt, man hat sein Ende als
Erhöhung verstehen
wollen. Wen kümmert es, die Erhöhung wird zum Segen
für eine große
Nachkommenschaft. Wer wird seine Nachkommen zählen? Der Fluch
der Verlassenheit
wird zum Segen der besonderen Nachkommenschaft, in denen der Tote
weiterlebt,
das heißt sie wird zur Unsterblichkeit! „Denn aus
dem Lande der Lebenden ward
er getilgt“ - dieser Satz wird zu: denn hinweggenommen von
der Erde wird sein
Leben. Lukas denkt an die Himmelfahrt, der Leidende wird im Sinne der
makkbäischen Märtyrertheologie nach seinem Tod
entrückt und ist dann bei Gott.
Wieder wird der Tod durch Liquidierung mißverstanden als
Auffahrt in den
Himmel.
Die
urchristliche Deutung von Jesaja 53, das Grundmaterial der
Passionsgeschichte,
entpuppt sich als erkenntnisleitendes Interesse an der
Erhöhung des
Verachteten, will Gerechtigkeit für diesen einen, der die
Gerechtigkeit für
alle durch seinen Tod erkauft hat. Dem Opfer soll Gerechtigkeit
widerfahren.
Man hat die Grausamkeit von Jesaja 53 nicht aushalten können,
mit der ein
Mensch zum Schuldopfer wird. Man wollte Gerechtigkeit für die
Opfer.
Die
Christen haben nicht ausgehalten, dass ein Mann unschuldig stirbt,
zum Opfer der Herrschenden, zum Opfer der unheiligen Allianz von Kirche
und
Staat geworden ist. Man hat, wenigstens in der christlichen Fantasie,
wenigstens im Glauben der jungen Gemeinde, diese Kränkung zu
überwinden
versucht durch die Fälschung der Lesart von Jesaja 53. Der
Erniedrigte wird,
und sei es durch eine Fälschung des Bibeltextes,
erhöht. Er wird
gerechtfertigt. Die Gemeinde, protestiert gegen das Unrecht, was einen
Einzelnen zum Opfer für die anderen macht. Sie erhebt das
Opfer zu ihrem Gott.
Der Knecht Gottes wird Sohn Gottes, der Sohn eins mit dem Vater, im
Sohn, in
Christus, hat Gott ein für alle Male geredet und gehandelt,
eindeutig,
verbindlich. Er ist selbst zum Opfer geworden.
Die
christliche Liebe zum Opfer ist allerdings doppelt wirksam: sowohl
als Solidarität mit den Unterdrückten, als Eintreten
für die Opfer dieser
Gesellschaften, als auch in der Liebe zum Opfermachen selbst. Der
Christ gibt
sich selbst auf, macht sich zum Opfer, drängt sein Opfer
anderen vielleicht
noch auf: Selbsthass konnte sich hierin austoben. Und wer auf das Leben
verzichtet, wer es opfert, der ist ganz nah dran, der Verzicht auf
Selbstverwirklichung auch anderen zu empfehlen, aufzudrängen,
es von anderen zu
verlangen. Der fordert dann plötzlich auch Opfer. Der wird
bereit, Opfer zu
akzeptieren. Der geht dann auch mal über Leichen.
Vers
36 11: Der Hofbeamte lässt sich taufen, wird Proselyt,
hinzugekommen da Judenchrist. Ein Ausländer wird Christ. Es
ist ein Völker
verbindender Eindruck der Person Jesu.
Vers
39: Philippos wird vom Geist des Herrn entrückt. Er hat seine
Aufgabe erfüllt, der Hofbeamte braucht ihn nicht mehr. Er
klebt nicht an den
Mittelsmännern dieses Gerüchtes von Jesus, er hat die
Geschichte Jesu jetzt in
seinem Herzen, in seiner Erinnerung. Darin steckt die
Möglichkeit, dass sich
Pastoren, ja die Kirche selbst, eines Tages erübrigen werden.
Wenn der Geist
Gottes die Herzen mit der Liebe zu den Opfern erfüllt.