Gehalten
in Bochum Paulus am 28.2. 1982, Sonntag Invokavit
Jetzt
ist die Zeit der Gnade? Heute der Tag der Rettung? Wie? Wo? Wir
erfahren nur Angst, Schrecken und ein bisschen Vergnügen, aber
wenig, so wenig.
Haben nicht viel zu lachen, wenn, aus Schadenfreude. Und doch ist es
bei uns
nicht so schlimm wie bei Paulus. Wir, die Kirchentreuen, erfahren wenig
vom
Alltag des Paulus, des Handlungsreisenden in Sachen Versöhnung
mit Gott. Wir
erfahren wenig von Trübsal, Not, Angst, Schlägen,
Gefängnis, Aufruhr, Mühen,
wachen Nächten, Fasten, aber auch wenig von Keuschheit,
Erkenntnis, Langmut,
Freundlichkeit und erst recht wenig vom Heiligen Geist,
ungefärbter Liebe,
aufrichtiger Wahrheit. Auch wenig von der Kraft Gottes und den Waffen
der
Gerechtigkeit. Schon eher allerdings erleben wir Ehre und Schande,
böse
Gerüchte und Lobhudeleien, Betrug und Aufklärung. Bei
uns ist es mittelmäßig.
Nicht so schlimm, nicht so schön.
Mittelmäßig. Es geht so. Muss ja.
Zeit
der Gnade, Tag des Heils, der Rettung - wäre das nicht
Verschleierung unserer Missstände? Die Liste der Entbehrungen
und Nöte des
Apostels, ist das nicht Übertreibung des Trostlosen, was wir
so erleben, also
Heldenfanfare ohne Helden? Nicht so schlimm, nicht so schön.
Ein bisschen
schade, ein bisschen Gnade? Paulus nennt seine Leiden, die
apostolischen
Leiden, Zeit der Gnade. Was die Juden vom Messias erwarten, Rettung und
Heil,
das soll passiert sein und zwar in Christus, in einem
schändlichen Foltertod
eines Zimmermannssohnes aus Nazareth? Versöhnung mit Gott? Was
Jesaja 49, 8 von
der Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft proklamiert: die
Heilszeit
der Befreiung, Heimkehr, des neuen Friedens mit Gott.
Wo
denn, wo? Wir sehen es nicht. Sehen können wir nur unsere
Mittelmäßigkeit.
Sehen konnte Paulus nur seine Leiden. Darum sagt er: wir sind in der
Zeit des
Glaubens, noch nicht in der Zeit des Schauens, des Sehens, der
Erfahrung von
Gottes Gnade. Paulus erlebt sie nicht, die Zeit der Gnade, er glaubt
sie. Er erlebt die Kreuzesnachfolge. Darin, in all
den Spannungen und
Konflikten, ist Gott ihm nahe. die Gnade Gottes, die Rettung, das Heil
ist
verborgen im Leiden des Jesus nachfolgenden Apostels. Nur in der
Verborgenheit
unter dem Kreuz ist Gottes Gnade.
Aber
ist unser Alltagsärger, die kaputte Magenschleimhaut, Galle,
Bauchspeicheldrüse, Staublunge, unser ständiger
Streit in der Kirche, unsere
endlosen Querelen unter dem Zeichen des Gekreuzigten - ist das
Nachfolge? Ist
das Kreuz? Ist das gleich Gestaltung mit Christus? Sind unsere Leiden
Leiden um
Christi willen? Oder um unsere eigenen Interessen Willen? Wie
unkenntlich ist
doch das Kreuz Christi, ist doch die Leidensnachfolge um der
Versöhnung und
Liebe willen bei uns! Wie wenig eindeutig sind unsere Leiden Leiden
für die Gerechtigkeit
auf Erden! Wie wenig sind wir die Armen, die doch viele reich machen!
Die
nichts haben, und doch alles haben. Wir, die Reichen oder
mittelmäßig
Begüterten, die doch viele arm machen!
Und
doch - Zeit der Gnade: gilt das Versöhnungsangebot nicht auch
uns?
Akzeptieren, dass Christus für uns Recht geschaffen hat, das
Recht zu leben und
fröhlich zu sein vor Gott, unserem Vater. Wir haben in aller
Mittelmäßigkeit,
Paulus hat in all seiner Mittelmäßigkeit, ein Recht
zu leben. Vor Gott. Darum
müssen wir uns nicht immer und überall ins Recht
setzen wollen und damit schon
ans Lebensrecht der anderen gehen. Wir sollen Leben. Die anderen auch.
Das ist
Gottes Gnade für alle Menschen. Greifbar nah unter aller
Mittelmäßigkeit.
Packen wir es an. Amen.