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Predigttext
Gnade und Frieden sei mit euch von Gott, unserem Vater, und dem Herrn
Jesus Christus. Amen.
Liebe Kinder!
Geliebte Kinder!
Von Gott geliebte Kinder Gottes!
Sie haben richtig gehört. Und sie befinden sich weder im
Kindergottesdienst, noch auf einer Veranstaltung der
berüchtigten und vielgerügten Jugendsekte, die den
gleichen Namen hat: Kinder Gottes. Trotzdem rede ich Sie hier und jetzt
als Kinder Gottes an. Und mit dieser Anrede wiederhole ich nur den
ersten Satz, einen Teil vom ersten Satz des soeben vorgelesenen
Predigttextes. Als von Gott geliebte Kinder Gottes werden wir darin
aufgerufen, Gottes Weise, Gottes Art nachzuahmen. Wir sollen Nachmacher
Gottes sein. Diese Aufforderung ist revolutionär! Ich erinnere
nur an die Story von Adam und Eva und der Schlange im Paradies. Die
wollten, verlockt von der Schlange, gerne mal Gott gleich sein. Eritis
sicut deus, ihr werdet sein wie Gott, hatte die Schlange gesagt. Und
darüber hatte sich, so erzählt diese Geschichte
weiter, Gott so sehr geärgert, daß er Adam und Eva
aus dem Paradies vertrieben hat. Gott gleich sein wollen - im alten
Testament als die Ursünde getadelt, im neuen Testament nicht
nur nicht verteufelt, sondern sogar erwünscht, sogar
gefordert! Gott nachmachen - Gottes Nachmacher werden, sein Mime sein -
: das klingt revolutionär. Da ist keine Rede von dem
abgrundtiefen Unterschied von Gott und uns, der auch schon den Gedanken
an irgendeine Gemeinsamkeit von Gott und Mensch verbietet. Da ist die
Rede von einer Familie, einer großen Familie, mit ganz, ganz
vielen Kindern und einem lieben Vater. Und die Kinder machen ihren
Vater nach. Wie es ja alle Kinder tun. Selbst wenn sie es gar nicht
wollen. Die Sprache, die ich spreche, die Gesten, mit denen ich mich
bewege, die Meinungen und mein Verhalten gegenüber anderen
Menschen - das alles ist geprägt von meinen Eltern, ist
Nachahmung der Menschen, mit denen ich großgeworden bin. So
grob wie die Eltern zu ihren Kindern sind, so trotzig und frech sind
die Kinder zu ihren Eltern. Ich sehe das bei meiner kleinen Nichte sehr
deutlich, und wer Kinder hat, wird es mir bestätigen
können: Die Reaktionen der Kinder sind ein unbestechlich
getreues Abbild des aggressiven, lieblosen, gehetzten Verhaltens ihrer
Eltern oder auch: So liebevoll wie die Eltern, so zärtlich
werden auch die Kinder reagieren. Ohne Nachahmung könnten wir
kein einziges Wort reden, kein bißchen Verständnis
im gegenseitigen Umgang erreichen.
Gott nachahmen, dazu könnte man auch sagen, bei Gott in die
Schule gehen. Und wo kann ich etwas von Gott lernen, wo kann ich
überhaupt Gott erfahren? Denn das ist ja wohl die
Grundvoraussetzung, um Gott überhaupt nachmachen zu
können.
Ich muß an dieser Stelle einschieben, was die
wissenschaftliche Forschung herausbekommen hat: Der Epheserbrief ist
nicht von Paulus geschrieben, wie es im Brief selbst steht, sondern von
einem unbekannten Schüler des Paulus zu einer Zeit, wo Paulus
wohl schon 40 Jahre tot war. Und er ist auch nicht an die Gemeinde in
Ephesus geschrieben, das liegt an der heutigen türkischen
Küste auf der Höhe von Athen, sondern dieser Brief
war ursprünglich ein Rundschreiben an ganz viele Gemeinden im
Bereich der heutigen Türkei. Und der Briefschreiber kann auf
die ersten 70 Jahre der christlichen Kirche zurückblicken und
hat gesehen, wie aus einer kleinen Sekte eine ganz beachtlich
große Organisation rings ums Mittelmeer mit vielen Gemeinden
geworden ist. Und darum steht er in dem guten Glauben, daß
die Kirche eine ständig noch weiter wachsende Gemeinschaft der
Gotteskinder, etwas altertümlicher ausgedrückt, der
Heiligen, ist, die wie ein einzigen riesigem Körper von einem
Kopf geleitet ist, von einem Geist beseelt ist, nämlich dem
Geist Christi. Und vom Geist Christi wird sie dadurch beseelt,
daß man sich in den Gottesdiensten erzählt, wie
Jesus gelebt hat. Und daraus lernen die Christen, wie sie selbst leben
können. Die Christen gehen, wie anfangs die Jünger,
bei Jesus in die Schule, indem sie von seinen Lebensgeschichten lernen,
die wir in den vier Evangelien aufgeschrieben finden. Und vorhin haben
wir aus dem Lukasevangelium gehört, daß Jesus seine
Schüler auffordert, ohne Rücksicht auf den toten
Vater, ohne Rücksicht auf die Eltern, ohne Beerdigung und ohne
Abschied mit ihm mitzugehen. Die Jünger sind mit Jesus
losgezogen ohne zu wissen, wo sie am Abend schlafen können,
ohne Zuhause, ohne Sicherheit, ohne Besitz, ohne ihre Familie, ihre
Geliebten und Kinder.
Zurück zum Text. Gott nachmachen, wie macht man das? So war
meine Frage. Und jetzt sage ich als Antwort: Indem man von Jesus lernt,
bei ihm in die Schule geht. Genauer: Indem wir aus den Geschichten von
Jesus und über Jesus lernen zu leben. Das ist Nachfolge, die
auch für uns möglich ist, die wir ja nicht mehr mit
ihm durch die Berge Palästinas wandern können.
Gott erfährt man nicht in Schicksalsschlägen, Donner
und Blitz, sondern ziemlich schlicht und gar nicht so abenteuerlich in
den Geschichten oder der einen Geschichte Jesu. Gott nachmachen
heißt Jesus nachfolgen und Jesus nachmachen. .Auch das klingt
manchen unter uns ungeheuer, aber ich meine, daß es nichts
gibt, was von Jesu Worten und Taten nicht nach seinem Kreuzestod
nachgemacht worden ist. Die Jünger heilen auch Kranke,
predigen und ziehen durch die Landschaft, sie feiern die gemeinsamen
Mahlzeiten wie in Gethsemane, können Tote erwecken und viele
werden in späteren Zeiten genauso brutal gekreuzigt wie Jesus.
Jesus, den Christus, kann und darf man nachmachen. Das ist die
verwegene und erschreckende Behauptung in unserem Predigttext.
So ahmet nun Gottes Weise nach als von ihm geliebte Kinder und wandelt
in der Liebe, wie auch Christus euch geliebt und sich für uns
dahingegeben hat als Gabe und Opfer für Gott, zu einem
lieblichen Duft." Christus hat sich an uns verschenkt. Er ist
für die Entrechteten und Ärmsten und
Geächteten so eingetreten, daß man ihn liquidiert
hat. Das genau war der Grund seines Todes: Eine Welt, in der einer
Todesstrafe bekommt für seine Liebe zu den Niedrigen und
Verachteten. Und genau dieses Tatsache nennt die Bibel Sünde:
Daß es überhaupt arm und reich gibt, daß
Menschen andere Menschen verachten und unterdrücken, und
daß der ,der da nicht mitmacht, der seine Liebe gegen die
schlechten Gesetze und gegen den Haß stellt, daß
dieser den ganzen Haß zu spüren bekommen.
Daß der, der konsequent gegen Gewalt predigt und handelt, die
ganze Gewalt der Mörder zu spüren bekommt. Wer wie
Christus in der Liebe wandelt, sich für die anderen, die nicht
ebenso lieben können, verschenkt, der wird zum Opfer. Zum
Opfer der Gehässigen und Lieblosen. Der gemordete Jesus ist
das Opfer der Liebe in einer Welt des Hasses. Sein Beispiel ist ein
Licht in der Finsternis der Haßwelt, der Welt aus
Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Leid, der Welt des
Strebens nach Besitz, der Welt der leeren Worte ohne Taten, der
betrügerischen Versprechungen, der verlogenen Beziehungen, der
Intrigen, der Menschenverachtung, der Schadenfreudewitze, der
unzüchtigen, hemmungslosen Herumkonsumiererei.
Ich habe da eine ganze Liste von Anklagepunkten gegen unsere normale
Lebensweise gemacht. Genau dasselbe hat auch der Schreiber des
Epheserbriefs unternommen, wir Theologen nennen so eine Liste einen
Laster-Katalog. Da wird aufgezählt, was alles auf keinen Fall
als liebevolles Verhalten bezeichnet werden kann. Der Schreiber hat
erstmal ermuntert: Lernt von Jesus, in der Liebe zu wandeln. Und dann
sagt er, mit dem Blick auf die Christen, an die er schreibt, was eben
liebloses Leben ist. Er denunziert und kritisiert das falsche Leben der
Christen und mißt es am Vorbild Christi. Ich finde das
sympathisch. Es gibt massenweise Sprüche, die Liebe definieren
wollen. Liebe ist... Liebe ist, wenn man... Genau dagegen sperrt sich
unser Predigttext. Er sagt nicht, was Liebe ist. Er sagt nur negativ
und kritisch, was alles ganz und gar ‘ keine Liebe ist.
Unzucht, Unkeuschheit jeder Art, Habsucht und leere Worte - damit ist
nicht Sexualität verteufelt. Sondern eine spezifische Form von
menschlichen - und meinetwegen auch sexuellen - Beziehungen. Es gibt
sogenannte Liebesbeziehungen, egal, ob Ehe, Freundschaft oder helfende
Nächstenliebe, in denen ich den Partner zum Objekt meiner
Phantasien und Aktionen mache. In denen ich ihm gar nicht die Freiheit
lasse, sich selbst einzubringen. Wo ich ihn besitze und über
ihn verfügen will. Ihn zum Diener meiner Lust mache, sei es
sexueller Lust, oder sei es auch der Lust am Helfen, am Bemuttern, am
Unmündighalten. Über Jahrhunderte haben die
Männer die Frauen als Besitz betrachtet, als Sexualobjekt
mißbraucht und mit romantischen Schwüren der ewigen
Treue gefügig gemacht. Und diese Gewalttaten Liebe genannt.
Ich nenne sie mit der Lasterliste des Epheserbriefs Unzucht,
Unkeuschheit jeder Art und Habsucht, in Tateinheit mit
törichtem Geschwätz, leichtfertigen Scherzen und
betrügerischen leeren Worten. Das gleiche gilt für
unsere Mission. Die europäischen Missionare kamen in die
fremden Länder, um das Heil Christi zu predigen und au
bringen. Die anderen Christen kamen nach und brachten statt Heil nichts
als Elend, Ausbeutung und Unterwerfung. Und heute bilden wir uns
gro£ oder klein etwas ein, wenn wir den von unserem
Wirtschaftssystem erst kaputtgemachten, von unserem Militär
erst terrorisierten Ländern in der 3. Welt mit unseren Spenden
großmütig helfen. Noch unsere Spenden setzen die
Welle der Demütigung und Verachtung der Menschen in den
anderen Erdteilen fort. Nur allzuoft sind die Hungernden nur Objekte
unserer liebevollen Großmut, die in Wirklichkeit gar keine
Liebe ist.
Ich habe diese zwei Beispiele - Ehe und Mission - hier genannt, um
einmal zu zeigen, wie brisant dieses alten und leicht modrig riechenden
Begriffe Unzucht und Habsucht usw. sein können, wenn man sie
ernst nimmt und auf unsere Situation anwendet. Dann ist der Muff des
Frühkatholizismus recht schnell heraus und wir erleben uns vor
dem kritischen Auge des Lichtes, welches unsere Finsternis aufhellt:
dem kritischen Vorbild Jesu, der Menschen als Subjekte, als
eigenständige und selbstständige Personen behandelt
hat und zu ihrem Glück und Heil sein Leben einsetzte.
Um Mißverständnisse auszuräumen: Ich meine
nicht, daß Ehe oder Mission schlecht sind an sich, sondern
ich versuche nur, den Blick für die vielen heimlichen
Lieblosigkeiten zu schärfen bei dem, was wir gemeinhin so als
Liebe durchgehen lassen. Ich betone auch, daß ich diese
Kritik an meiner eigenen Lieblosigkeit festmachen könnte.
Dabei geht es auch gar nicht um die Frage von Vorwürfen und
dem großen moralischen Zeigefinger, den noch die
Unmoralischsten hochkriegen. Es geht vielmehr darum, festzustellen und
gemeinsam zu diskutieren, was bei uns nicht stimmt, was finster ist, um
da rauszukommen. Das Erbe Christi, das seine Nachfolge nicht antreten,
um auf dem Holzweg des Selbstbetrugs über die eigene Liebe
steckenzubleiben. In der Nacht unserer Selbsttäuschungen und
Irrwege auf dem Konsumtrip und der Mißachtung der Entfaltung
anderer Menschen scheint uns die Geschichte Jesus als die
große göttliche Liebesgeschichte voraus und will uns
Geschmack machen an gegenseitiger Hochachtung und dem Ernstnehmen der
Verachteten.
Der Schreiber unseres Predigttextes zitiert ein altes Lied der
Christen, welches sie zur Taufe gesungen haben: "Wach auf, du
Schlafmütze, steh auf von den Toten, so wird dir Christus als
Licht aufgehen".
Da ist von Totenauferstehung höchst diesseitig die Rede,
sozusagen noch vor dem Tod. Totenauferstehung ist unsere Sache. Sich
vom Licht Christi, konkreter: von der aufgeschriebenen Geschichte Jesu
kritisch durchleuchten und erleuchten lassen, aufwachen aus dem
Dornröschenschlaf unserer selbstzufriedenen Besitzbesessenheit
und unser Brot brechen mit allen Völkern als großes
Weltabendmahl der endlich einmal erkämpften sozialen
Gerechtigkeit - daß ist Auferstehung vor dem Tod, ist
Nachahmung Gottes in der Nachfolge Jesu.
Eine Predigt kann nicht mehr als ermuntern und die Richtung weisen.
Diese Predigt hat das nur recht vage getan und eigentlich
müßte die gemeinsame Überlegung, wie wir
gemeinsam vom Holzweg der Lieblosigkeit in zwischenmenschlichen
Beziehungen und auch im weltpolitischen Rahmen und vielleicht auch im
Rahmen der Kirche selbst herunterkommen, jetzt erst eigentlich
anfangen. Und darum hört auch an dieser Stelle die Predigt
auf, weil ich mir nicht einbilde, positiv zu wissen, was denn Liebe
ist. Ich wünschte mir, daß Sie für sich und
untereinander und miteinander daran weiterdenken und
weiterexperimentieren.
Amen.
Liturgie
zu Okuli, 9.3.80
Matthäus
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Einüben
der neuen Lieder
Ich rede, wenn ich schweigen
sollte… Ich tue meinen Mund auf
Abkündigungen
256, 1-4 Mir nach spricht Christus
Im Namen
Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist
nicht geeignet für das Reich Gottes. (Lk 9,62)
Ehr sei dem Vater
Herr, wir bekennen, daß wir oft kaum noch unsere Hand an den
Pflug legen, weil es bequemer ist, andere für uns arbeiten zu
lassen. Und wir bekennen, daß wir ständig, jeden
Tag, zurückschauen auf das, was wir schon alles geschafft
haben und was wir geworden sind. Und daß wir dabei nicht mehr
merken, was aus uns geworden ist. Um wenn wir vorausblicken, dann mit
der Absicht, daß es uns noch besser gehet soll. Wir bekennen,
daß wir uns für das Reich Gottes nicht besonders gut
eignen. Wir bitten dich: nimm uns trotzdem und laß uns
lernen. Amen.
Ehr sei dem Vater
Kyrie
Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn.(Ps 40,5)
Ehre sei Gott in der Höhe
Allein Gott in der Höh sei Ehr
Der Herr sei mit euch
Evangelium Lk 9,57-62
Credo
Lied: Ich rede, wenn ich schweigen
Predigttext
Predigt
Lied: Ich tue meinen Mund auf
Herr, wir bitten dich, laß uns feinfühlig werden
für die vielen kleinen Lieblosigkeiten in unserem
alltäglichen und sonntäglichen Denken, Reden und
Handeln. Öffne uns die Augen in unserer Finsternis mit deinem
Licht. Gib uns den kritischen Blick der Liebe, die alle Lieblosigkeit
entlarvt. Wir bitten dich um den lieblichen Duft und die Phantasie der
Liebe, die uns ansteckt zum Ausprobieren immer neuer Formen von
Verzicht auf unnötigen Besitz, unnötige Macht,
unnötige Angst und unnötiges Angstmachen.
Laß unsere Selbstkritik am Maßstab der Liebe Jesu
nicht selbstquälerisch werden, sondern verspielt und
übermütig wie richtige Kinder, die ihren Vater
nachahmen.
Gib uns Mut, unseren Mund aufzutun, wo Lieblosigkeit, Unrecht,
Vergewaltigung und Besitzbesessenheit die Menschen finster machen.
Laß- die Sonne deiner Gerechtigkeit aufgehen über
den hungrigen Bäuchen der verarmten Nationen, den
verödeten Herzen der Reichen und der Finsternis der
Gewaltausübung auf beiden Seiten. Deine Gerechtigkeit wird
alles Unrecht beseitigen. Dein Friede wird den Kamp beenden. Dein
Erbarmen wird uns aus dem Tod erlösen. In der Welt des Hass
bitten wir um deine Liebe. In der Welt der Gott-Losigkeit rufen wir
nach deiner Gegenwart. In der Welt der Nacht warten wir auf deinen Tag.
Vater Unser im Himmel
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 61, 1,2,4-, 7
Nachspiel