Orgclvorspiel (Tonband play)
Wir singen vom Lied 181 die ersten drei Strophen.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
(Amen.)
Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Jesus hat gesagt: Wenn jemand mit mir gehen will, verleugne er sich
selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir
nach. Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber
sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten. (LK 9,23)
EHR SEI DEM VATER und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im
Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Wir haben dich nicht erwartet, Herr. Und du bist doch gekommen. Wir
haben dich nicht aufgenommen. Und du bist doch bei uns
ge¬blieben. Du hast uns nicht verlassen. Du hältst
dein Wort für uns bereit. Du gibst uns Zeit. Wenn wir auch
nicht hören, so sprichst du doch. Wenn wir auch nicht sehen,
so bist du doch da. Ob wirs wollen oder nicht, du bist doch unter uns
Menschen, du bist unser geringster Bruder. Die Freude, die wir haben,
ist ein Stückchen von deiner Herrschaft. Regiere uns mit
deinem Frieden, aber auch mit deinem Feuer. Laß uns den
Reichtum, den wir an deinem Wort haben, wachsen, indem wir unseren
materiellen Reichtum teilen mit denen, die hungern, die keine Arbeit
haben, die arm geblieben sind. Amen.
Kyrie eleeison
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch
ausschließen und schmähen und euren Namen als einen
bösen ächten um des Sohnes des Menschen willen. (LK
6,22)
Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen
ein Wohlgefallen.
Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine
Gnade darum daß nun und nimmermehr uns rühren kann
kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat. Nun ist groß
Fried ohn Unterlaß all Fehd hat nun ein Ende.
Der Herr sei mit euch. (Und mit deinem Geist.)
Lasset uns beten: Herr, gib uns jetzt dein Wort, wie du uns das
Tägliche Brot gibst. Gib er uns so, daß es uns
verwandelt, daß es uns nicht ärgert, wenn es ans
trifft, daß es uns nicht freut, wenn es andere trifft,
daß es mich nicht langweilt, wenn du mit meinem
Nächsten redest, und daß ich es nicht
überhöre, wenn du mit mir selber sprichst. Gib es so,
daß wir es nicht mehr vergessen, wenn das Geschwätz
und der Lärm wieder kommen, daß es nicht erstickt,
wenn die Sorgen und Ängste wiederkommen, daß wir es
nicht fahren lassen, wenn es uns etwas kostet. Laß uns deinem
Zugriff stillehalten. Denn ohne dein Wort verdorrt alles Leben. Darum
sprich mit uns, wir wollen deine Knechte sein und auf dich
hören. Amen.
Die Epistel für den heutigen 5. Sonntag nach Trinitatis steht
geschrieben im Lk 5,1-11: …
Halleluja. (Singen)
Wir singen nun von dem Lied 480 die Strophen 1 und 2.
Tonband abspielen.
Das Evangelium des heutigen Sonntags steht geschrieben:
Bibel nehmen
Glaubensbekenntnis (Gesangbuch vorn)
Nun wollen wir von dem Lied 480 die Strophen 5 und 4 singen. Tondband
spielen.
Predigt (siehe unten)
Wir singen nun vom Lied 480 die letzten beiden Strophen. Tonband ab.
Zu Kindern und Erben deines Reiches sind wir berufen. So wollen wir vor
dir bedenken die Nöte und Freuden dieser Welt, Menschen beuten
einander aus, gieren nach Erfolg, Leben des anderen ist zur Ware
geworden.
Dein Geist der Liebe verändere doch die Strukturen des
Mißbrauchs von Macht. Der Mensch möge wieder
zählen. Daß Leben nicht weiter beschädigt
werde. Wir denken an die Arbeit von Menschen, die sich für die
Überwindung von Rassenhaß und die Entwicklung von
Frieden einsetzen. Du hast uns gelehrt: Furcht ist nicht in der Liebe.
Das einzige Privileg, das zählt, ist, Mensch zu werden.
Daß der Streit in den Familien ende, daß die
Generationen wieder neu miteinander ins Gespräch kommen. Deine
Gemeinschaft umschließt Menschen ganz verschiedener Herkunft
und Geistesart. Für deine Nähe in den Konfliktfeldern
danken wir.
So schenke uns wache Sinne, daß wir dich in der Not und in
der Freude anderer erblicken. Schenke uns einen demütigen
Sinn, daß wir nicht achtlos an dir in dem anderen Menschen
vorübergehen. Schenke uns einen vertrauenden Sinn,
daß wir mit dir auf dem Weg bleiben.
Vater unser
Gottesdienstes von dem Lied
Es segne uns der Herr. Er öffne uns die Augen für den
Sinn des Lebens, für die Not der Brüder, für
heute und alle Tage.
Wir singen nun zum Abschluß unseres Gottesdienstes vom Lied
539 alle vier Strophen. Ich wünsche Ihnen allen einen
schönen, warmen und entspannenden Sommersonntag.
Predigt
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Schriftsteller Lukas hat in seiner Komposition der ihm
überlieferten Geschichten, Anekdoten und
Äußerungen von und über Jesus drei
Erzählfragmente zu einer einzigen neuen Geschichte
zusammengeschrieben. Eine Geschichte handelt von einer See-Predigt, wo
Jesus in den Kahn der Fischer steigt, um aus etwas Abstand zum mehr
Menschen reden zu können. Eine zweite Geschichte handelt von
der Berufung des Petrus und Jakobus und Johannes, die ja in der
Ur-Gemeinde die drei größten Männer waren.
Schließlich ist eine dritte Geschichte noch mit eingebaut,
die wohl ursprünglich erzählt hat von einer Berufung
des Petrus durch den auferstandenen Jesus bei einem wunderbar riesigen
Fischfang.
Wenn wir nun wissen, daß diese Geschichte aus drei anderen
Geschichten zusammengesetzt ist, können wir nicht mehr fragen:
war das denn wirklich so mit dem Fischfang? Sondern wir werden
versuchen zu erfragen was Lukas über Jesus sagen wollte, als
er so eine Wundergeschichte von der Berufung der ersten Jünger
Jesu gemacht hat.
Versetzen wir uns einmal probeweise in die Lage des Petrus. Ob wir
seine Rolle in diesem kleinen Theaterstückchen durchhalten
werden?
Es ist vormittags. Ich sitze hier zusammen mit meinen Kumpeln, dem
Johannes und dem Jakobus. Wir flicken gerade unsere Netze. Und waschen
sie am Strand, wo man im Wasser stehen kann. So ein Mist! Die ganze
Nacht haben wir hier die Buchten abgewischt und nichts, aber auch gar
nichts gefangen! Unsere Frauen werden ganz schön meckern, wenn
die nachher hören daß wir nichts gefangen haben.
Nichts gefangen, nichts auf den Markt zu verkaufen. Nichts zu
verkaufen, kein Geld. Kein Geld, kein Brot. Wo es uns hier sowieso
schon so dreckig geht, weil die Römer mit ihren Wahnsinns
Steuern uns den letzten Pfennig heraus Luchsen. Wie soll das nur
weitergehen, wenn wir jetzt noch nicht einmal mehr etwas gefangen
haben. Was ist denn da los? Da kommt ja eine riesige Menschenmenge! Und
die ziehen hier zum See runter. Sie kommen immer näher Punkt
und da, so ein kleiner dicker, der Quatsch da die ganze Zeit. Und die
anderen, die hören ihm wohl alle zu! Na ja. Sollen sie. Wir
drei, Johannes Jacobus und ich, wir haben hier genug dabei zu tun, die
Netze für heute nacht fertig zu machen, hoffentlich kriegen
wir da wenigstens einen guten Fang! Was ist denn jetzt los? Der kleine
dicke kommt auf uns zu, ja, er geht direkt auf mein Boot zu und ja,
meine Güte, was will der denn auf meinem Boot!
Hey du, sag mal, was machst du denn da auf dem Boot? Suchst du was,
oder was ist hier los, man? Der kleine Dicke sagt er will so 20 m raus
gerudert werden damit der besser zu den Leuten reden kann und alle ihn
gut hören können. Meine Güte, muß
das sein jetzt, wo wir die Netze gerade waschen? Naja, wenn die Leute
da alle drauf warten, daß er weiter redet, meinetwegen.
Vielleicht wird es ja ganz interessant, ihm zuzuhören. Also
gut, ich fahre dich ein bißchen raus, dann kannst du weiter
reden. Wie heißt du eigentlich? Er sagt, er heißt
Jesus von Nazareth Punkt und der ist wohl ein kluger Mann, ein leerer
oder vielleicht ein Rabbi. Ende des ersten Aktes. Kurze Pause.
Zwischenbemerkung: daß Jesus in unserem kleinen
Stück ein kleiner dicker ist, mag nach all den Bildern von
Jesus zurecht einmal nachgeholt werden. Nirgends in der Bibel steht,
daß Jesus einen schlanker Schönheits König
war. Und dann noch ein erster, schwerer Unterschied von uns zu Petrus:
wir zahlen zwar auch hohe Steuern, aber das, was die Römer
damals den kleinen, sowieso schon armselig lebenden Bauern und Fischern
aus Galiläa abgefordert haben, das hat dort ein Elend zur
Folge gehabt, wie wir es bei uns nicht kennen, am ehesten ist es zu
vergleichen mit der Armut der Fischer in Chile, denen die
großen fischereiunternehmen die ganzen Fischbestände
weggefangen und sie dadurch völlig ruinieren die Lage in
Galiläa ähnelt am 1. Der Lage der Dritten Welt heute.
Hier ist also der erste Punkt, wo wir schon aussteigen
müßten aus unserem geprobt and Petrus Rolle, in die
wir hier ja eben erst hinein geschlüpft sind. Vielleicht
hätten wir den komischen kleinen dicken auch nicht auf das
Boot gelassen. Oder ihm wenigstens eine Gebühr für
die bootsbenutzung abgeknöpft. Es gibt nichts umsonst,
würden wir dann bauernschlau sagen. Petrus ist zu dumm dazu,
er tut dem kleinen dicken den Gefallen. Hoffentlich hat ihm dann auch
gefallen, was der gesagt hat, als er weiter zu den Leuten am Ufer
gepredigt hat. Lukas schreibt darüber nichts. In seiner
Geschichte wechselt die Szene sofort zur Öffnung des zweiten
Aktes.
Na, endlich hat der Dicke aufgehört zu reden. Und jetzt sagt
er zu mir ich solle mitten auf den See fahren und dort die Netze
auswerfen. Ja, ist denn der übergeschnappt? So ein
Wanderprediger will mir erzählen, wie man fischt?
Daß ich nicht lache! Am helllichten Tag und dann auch noch so
weit draußen. Da fängt man doch noch nicht einmal
ein altes Stück Treibholz. Nee, nee, das läuft nicht,
Dickerchen. Außerdem haben wir die ganze Nacht gefischt,
vorhin die Netze repariert und dann noch gewartet, bis du deine Predigt
an die Leute da zu Ende gekriegt hast. Also ich bin jetzt verdammt
müde und werde nach Hause gehen zum Pennen Punkt für
heute abend müssen wir fit sein, kommt Kumpels, wir gehen.
Ziehen wir noch schnell die Boote an Land, dann aber ab nach hause!
Also der hat ja einen Knall, der Dicke da!
2. Akt Ende. Überhaupt Theater zu ende. Das war ein ganz
schön komisches Theater, was der Dicke da mit den
Fächern gespielt hat. Die haben sich das natürlich
nicht gefallen lassen. Belästigt hat er sich ja schon den
ganzen Vormittag mit der Predigt aus ihrem Boot. Und irgendwann
muß mal Schluß sein mit dem Schabernack. Ich habe
das Gefühl, so könnte für mich das
Stück geendet haben, vielleicht auch für euch liebe
Schwestern und Brüder?
Es gehört schon etwas Verrücktheit dazu, auf den
merkwürdigen Vorschlag Jesu einzugehen, mitten am Tag auf
hoher See zu fischen, wenn man aus Erfahrung weiß,
daß man am besten nachts in den Buchten fängt. Bei
Lukas hat der Petrus diese Verrücktheit. Er sagt zu Jesus:
„Meister“ - haha Meister, Jesus als Meister im
Fischfang? Der noch nicht einmal die einfachsten Grundregeln des
Fischens weiß? Ja, Lukas erzählt wirklich eine
Wundergeschichte! Das erste Wunder ist, daß Petrus Jesus
nicht rausfeuert aus dem Boot, sondern ihn Meister nennt. Petrus
erzählt Jesus von dem erfolglosen Fang der letzte Nacht und
sagt dann, das ist das zweite Wunder: „auf dein Wort, auf
deine Verantwortung hin werde ich mitten auf See fischen, wie du es
vorschlägst.“ Nicht nur, daß Petrus Jesus
als Meister anerkennt, nein, er tut auch die stümperhaften
Vorschläge, die Jesus macht. Er fischt tatsächlich
mitten auf See. Und fängt einen Schwarm, so groß,
daß ihm die Netze kaputt zu gehen drohen. Unmöglich,
sowas! Und jetzt, was tut Petrus? Er erschrickt nicht, sondern ist voll
dabei, den Fang einzuholen. Er ruft das Boot seiner Genossen zur Hilfe,
die kommen auch und holen fleißig das Netz ein. Für
diese armen Leute ist ein ganzes Boot voller Fische praktisch der
Ertrag einer ganzen Woche Arbeit. Die waren gesundgestoßen
mit diesem super Fang. Heraus aus ihren Alltagssorgen. Die brauchten
nicht mehr fragen, was essen wir morgen?
Gut, also, sie holen den Fang ein und das ist so viel, daß
beide Boote fast untergehen. Und jetzt, das dritte Wunder: erst als die
Fischer fertig sind mit Einholen der Fische, da erst fällt es
Petrus ein, zu erschrecken. Nicht etwa beim Anblick des berstenden
Netzes kommt der Schreck, nein, nach getaner Arbeit, als die Sache im
Wesentlichen gelaufen ist. Und was tut Petrus? Er fällt vor
Jesus auf die Knie und bittet ihn wegzugehen; und das mitten auf hoher
See. Petrus sagt: „ich bin ein Sünder, geh von mir
hin aus, oh Herr.“ Er redet Jesus als einen Gott an,
gebraucht den Namen Gottes für die Anrede Jesu. Er bekennt
sich als Sünder und kriegt Angst, weil doch ein Gott und ein
Sünder einander Feind sind bis zum Tod; ja er kriegt
Todesangst vor der unheimlichen Nähe dieses Mannes, der wie
ein Gott Wunder vollbringen kann und dem er hier hilflos ausgeliefert
ist. Die übrigen Fischer Jakobus und Johannes, haben auch alle
riesige Angst. Wer weiß, was der noch alles anstellen wird,
wenn er schon die Boote überfüllt mit Fischen. Ja,
was stellt der an? Es kommt das vierte Wunder. Jesus sagt nicht tja, da
staunst du wohl, daß dieser kleine dicke Doofmann dir den
Fang da eingebrockt hat. Jesus sagt: „fürchte dich
nicht!“ Jesus will nicht, wie es ein zünftiger Gott
damals alle Male verlangte, frommer Anbetung und Gottesfurcht. Jesus
will sich nicht verehren lassen. Er braucht keine
wundergläubigen Angsthasen. Er thront nicht souverän
auf irgendeinem Podest, einem Rednerpodium oder einer Kanzel. Er sitzt
im Boot auf gleicher Höhe wie seine Zuhörer. Ebenso
läßt sich Jesus bei seinen großen Taten
nicht als ein Gott verehren Punkt Martin Luther hat in seinem kleinen
Katechismus geschrieben, ihr kennt ihn sicher auswendig: wir sollen
Gott fürchten und lieben. Falsch. Eindeutig falsch. Sowas ist
dann nach 1500 Jahren draus geworden. Jesus sagt: fürchte dich
nicht! Der johannesbrief sagt: in der Liebe gibt es keine Furcht,
völlige Liebe treibt die Angst aus. Jesus will keine
Gottesfurcht, sondern Menschenliebe. Und darum sagt er:
fürchte dich nicht, von nun an wirst du Menschen fangen. Es
wäre wirklich zu billig, das als einen Befehl zu verstehen.
Jesus sagt nur etwas über die Zukunft des Petrus. Er gibt dem
künftigen Leben des Petrus einen neuen Namen, den der Petrus
ganz gut verstanden hat: Menschenfischer.
Menschen Fischen als neuer Beruf - ist das eine Verbesserung? Petrus
hatte einen Funk, der für eine Woche leben ausreichte. Und nun
bekommt er ein Angebot zum Berufswechsel Punkt die drei haben nicht
überlegt - für sie war das Angebote so attraktiver
als ihr bisheriger Beruf. Könnten wir da mitmachen?
Würden wir unseren Beruf aufgeben, um als Wanderprediger durch
die Lande zu ziehen? Sicherlich nicht. Auch hier ist eine Kluft, die
uns unmöglich macht, die Rolle des Petrus weiter mitzuspielen.
Für uns ist das Theaterspiel der Berufung in die Nachfolge
Jesu eben doch schon zu Ende, bevor es angefangen hat.
Aber bei mir regt sich da auch energisch Widerspruch, wenn ich
höre, daß mich einer beruft zum
Menschenfänger. Ich denke an Bauernfängerei, an
unredliches Geschäfte machen, an verschaukeln von
Ahnungslosen. Und nicht nur ich. Beim Propheten Habakuk ist das Bild
des Menschen Fischers auch in diesem Sinne verstanden. Ich lese einmal
vor: Hab 1, 12 - 17
Bei Habakuk meint also Menschen fischen: Menschen in Gefangenschaft
führen, unterdrücken, töten, ausbeuten. Es
bezieht sich auf die babylonische Gefangenschaft Israels. Es ist
unmenschlich, so mit Menschen umgehen zu wollen. Wenn Jesus zum
Menschenfangen beruft, ist das nicht ebenso unmenschlich? Ich will
keine Menschen gefangennehmen, sondern ich will, daß sie frei
sein sollen, sich frei entfalten. Ja, wer will das nicht sogleich auch!
Wir leben in einer freiheitlichen Grundordnung, sagt man. Und da ist
das reaktionär, wenn man keine Freiheit will. Die CDU schreibt
auf ihre Wahlplakate groß drauf: Freiheit statt Sozialismus.
Jawohl, sagen wir. Das ist recht so: Freiheit. Freiheit, die ich meine
... Die Bundeswehr wirbt um Freiwillige, die für ihren
längeren Dienst viel Geld bekommen. Wer erinnert sich noch an
den Spruch: Arbeit macht frei! ? Weiß jemand von ihnen, wo er
stand?
Wir haben freie Wahl zwischen Omo und Dash, zwischen Grundig und
Telefunken, VW und Mercedes, SPD und CDU, Atomkraftwerken oder nicht,
wir wählen unsere Berufe frei aus, der eine wird Hilfsarbeiter
bei Bosch, der andere Wirtschaftsmanager bei Dr Oetker. Jeder kann
sagen, was er will, wir haben Meinungsfreiheit.
Fällt ihnen etwas auf? Regelmäßig wird an
unsere Freiheit gerade dort appelliert, wo wir in Wirklichkeit nur wie
Marionetten von oben herab behandelt werden. Die Reklame gaukelt uns
Freiheit vor, in Wirklichkeit steckt doch nur dieselbe Waschmittelfirma
dahinter, in Wirklichkeit haben wir schon fast keine Freiheit mehr,
eben kein Auto zu kaufen, weil die Distanzen zum Supermarkt, zur Fabrik
und in die Stadt immer mehr anwachsen durch die
städtebaulichen Maßnahmen. In Wirklichkeit haben die
Parteien Strategie-Kommissionen, die überlegen, wen man am
besten als Kanzlerkandidat aufbaut, um möglichst viele
Wähler zu fangen. In Wirklichkeit ist der Unterschied zwischen
den großen Parteien gar nicht mehr so groß,
wahrscheinlich weniger als der von Dash und Omo. In Wirklichkeit kann
ein Arbeiter noch so tüchtig sein, er wird eher Arbeitsloser
als Chefmanager. Also: Vorsicht, bitte ungefähr 33 mal
kritisch nachdenken, wenn heute jemand von Freiheit redet! Er meint
doch nur Scheinfreiheit. Wer Freiheit verspricht, hat meist etwas sehr
raffiniertes im Hinterkopf.
Jesus verspricht keine Freiheit. Er sagt von vornherein, wer ihm
nachfolgt, müsse sein Kreuz auf sich nehmen. Jesus macht
schlechte Reklame für seine Bewegung. Er preist Nachfolge
nicht an, sondern scheint eher zu warnen, indem er vom
möglichen tödlichen Ausgang der Nachfolge spricht. Er
verspricht kein weiches Bett sondern Heimatlosigkeit. Jesus ist
scheinbar keine gute Partie. Aber ist das nicht ehrlicher, von
vornherein alle Risiken anzugeben, auf die man sich da einlassen
muß? Jesus prahlt nicht mit Siegen, Erfolgen, Freiheiten, er
sagt nicht einmal, daß man ein besonders guter Mensch ist,
wenn man mit ihm geht. Das ist hart. Aber könnte es nicht
sein, daß Jesus eben so die größere
Freiheit gewährt, indem er schon vor dem Kauf alle
Mängel seiner Ware bekannt macht? So daß wir
hinterher nicht angeschmiert sind, wenn es eben doch nicht so frei
zugeht, wie auf den Wahlprogrammen aufgedruckt stand? 2. Merksatz:
Vorsicht, wenn jemanden nicht gleich von Freiheit redet! Er
könnte sie dir geben nicht nur als schönen Spruch,
sondern als gelebte Wahrheit. Jesu Freiheit besteht darin, ohne
schöne Sprüche, mit dem vollen Bewußtsein
der Schwierigkeiten einen Weg gemeinsam zu gehen, den schwierigen Weg
der Liebe. Wir sind eingeladen, ihm ins Netz dieser Liebe zu gehen. Es
könnte das Netz sein, was uns auffängt, wenn wir
fallen. Amen.