Kanzlerschaft: Merkel schweigt zur Kandidatur

Etliche Ministerpräsidenten der CDU haben sich für Angela Merkel als Kanzlerkandidatin der Union ausgesprochen, darunter auch die politischen Schwergewichte Roland Koch und Christian Wulff. Die CDU-Chefin hält sich - ebenso wie CSU-Chef Stoiber - noch bedeckt.

Berlin - Nach einer Sitzung von Präsidium und Bundesvorstand der CDU in Berlin verwies Angela Merkel lediglich auf eine gemeinsame Präsidiumssitzung mit der CSU am kommenden Montag. Dann würden inhaltliche und personelle Fragen geklärt. Das Wahlprogramm der Union werde mit der CSU abgestimmt und vor allem aufzeigen, wie mehr Arbeitsplätze und Wachstum entstehen könnten. Auch würden die Gemeinsamkeiten mit der FDP ausgelotet

"Wir müssen alle Weichen in Deutschland auf Wachstum und Arbeitsplätze stellen", sagte Edmund Stoiber heute nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Bis Ende Juli könne ein gemeinsames Wahlprogramm von CDU und CSU verabschiedet sein. Ob er selbst ein Regierungsamt in Berlin anstrebt, sagte Stoiber nicht.

Die Union werde den Wahlkampf zusammen mit der FDP "ganz klar an den Sorgen und Ängsten der Menschen ausrichten", sagte Merkel. Sie sei sehr optimistisch, dass "wir die Probleme Deutschlands besser lösen". Das Wahlprogramm werde aufzeigen, wie mehr Arbeitsplätze und Wachstum entstehen und Deutschland aus der von Rot-Grün verursachten Schuldenfalle herausgeführt werden könne.

Der Bundesvorstand hatte Merkel zuvor seine volle Unterstützung signalisiert. In der Sitzung wurde eine Äußerung des Bremer CDU-Landeschefs Bernd Neumann, dass Merkel Kanzlerkandidatin werden solle, mit langem Beifall aufgenommen, berichteten Teilnehmer übereinstimmend. Zu einer formellen Abstimmung kam es aber nicht.

Vor der Präsidiumssitzung in Berlin hatte Hessens Ministerpräsident Roland Koch auf die Frage nach dem Kandidaten geantwortet: "Angela Merkel selbstverständlich. Das ist doch klar. Ich kenne niemanden in der CDU, der anderer Meinung ist." Er sei sehr optimistisch, dass auch die Kollegen der CSU dies so sehen. Man habe zwar verabredet, dass die Entscheidung am kommenden Montag von den Präsidien beider Unionsparteien gefällt werde, doch sei dies eine "formale Entscheidung". "Unsere Kandidatin ist Angela Merkel", sagte Koch.

Koch, Merkel, Wulff

Auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) geht davon aus, dass Merkel Kanzlerkandidatin wird. "Ich denke, dass diese Vermutungen realistisch sind", sagte Wulff dem Deutschlandfunk. Doch wenn der Kanzler sich Sonntagnachmittag umorientiere, dann dürften sich CDU und CSU einige Tage nehmen, um ordnungsgemäß die Gremien von beiden Schwesterparteien angemessen demokratisch zu beteiligen, betonte er. Doch jeder ahne und wisse, wie die Entscheidung am nächsten Montag bei einer gemeinsamen Präsidiumssitzung fallen werde. Vor allem sollten beide Parteivorsitzende, Edmund Stoiber (CSU) und Merkel, die Möglichkeit erhalten, ihren Vorschlag zu machen.

Wulff selbst denkt eigenen Angaben zufolge nicht an eine Kanzlerkandidatur. "Ich bin gerade mal zwei Jahre Ministerpräsident in Hannover und werde dort einige Jahre wirklich gebraucht, um das Land Niedersachsen voranzubringen", sagte Wulff. Diese Form der Verlässlichkeit sei nicht das Schlechteste, fügte er hinzu.

Die Harmonie ist der Union besonders wichtig: Wulff rief seine Parteifreunde auf, am Erfolgsrezept der Geschlossenheit festzuhalten. "Jeder, der jetzt versucht, sein eigenes Süppchen zu kochen, wird nicht bestehen", sagte er der "Rheinischen Post". Der CDU-Sieg in Nordrhein-Westfalen sei ein Ergebnis der Geschlossenheit.

Wulff wertet die Ankündigung von Neuwahlen als Eingeständnis des Scheiterns von Rot-Grün. Das Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen habe gezeigt, dass die Union gemeinsam alles erreichen könne, sagte Wulff der "Sächsischen Zeitung".

Die Unions-Parteien können bei den von der SPD für den Herbst angestrebten Bundestagsneuwahlen auf eine absolute Mehrheit der Mandate hoffen. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag der ARD unter 675 Bundesbürgern erklärten 29 Prozent, sie würden sich bei Neuwahlen für die SPD entscheiden. Eine Woche zuvor waren es genauso viele gewesen, wie die ARD gestern mitteilte. 46 Prozent gaben an, sie wollten die Union wählen, wenn sie bereits an diesem Sonntag an die Urnen gerufen würden. Das ist ein Prozentpunkt mehr als in der Vorwoche.

Die Grünen verloren der Umfrage zufolge zwei Prozentpunkte und lagen mit einem Stimmenanteil von acht Prozent gleichauf mit der FDP, die einen Prozentpunkt hinzugewann. Die PDS würde mit vier Prozent der Stimmen nicht in den Bundestag einziehen. Bei einem solchen Ergebnis hätte die Union die absolute Mehrheit der Stimmen im Bundestag.

Dennoch blickt auch die FDP, der mögliche Koalitionspartner der Union, zuversichtlich in die Zukunft. Die Liberalen sehen sich personell und programmatisch gut aufgestellt für vorgezogene Neuwahlen im Bund. "Wir haben Programmpunkte wie Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf abgehakt auf unserem Parteitag in Köln", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel dem ZDF-"Morgenmagazin". Er werde den Gremien vorschlagen, dass der wiedergewählte Parteivorsitzende Guido Westerwelle die Partei als Spitzenkandidat in den Wahlkampf führen wird. Auf einen von der FDP bevorzugten Kanzelkandidaten bei der Union wollte sich Niebel nicht festlegen.